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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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– süßlich, fast beißend, der gleiche alkoholartige Geruch, den ich aus Jesses Wohnung kannte. Ich fing an, Schränke zu öffnen und die Handtücher zu durchsuchen, um die Quelle zu finden, und tatsächlich entdeckte ich eine halbleere Flasche Whiskey versteckt hinter den Tamponpackungen.
    Â»So ist das –«, sagte ich und ging mit der Flasche zurück ins Zimmer, weil ich glaubte, ein prima Druckmittel gefunden zu haben, mit dem ich Kate die nächste Zeit erpressen konnte, doch dann sah ich die Tabletten in Kates Hand.
    Â»Was machst du da?« Kate drehte mir den Rücken zu. »Laß mich in Ruhe, Anna.«
    Â»Bist du verrückt?«
    Â»Nein«, sagte Kate. »Ich hab es bloß satt, auf etwas zu warten, das sowieso passieren wird. Ich finde, ich hab euch allen lange genug das Leben versaut, oder etwa nicht?«
    Â»Aber wir haben doch alle so darum gekämpft, daß du lebst. Du kannst dich nicht umbringen.«
    Plötzlich fing Kate an zu weinen. »Ich weiß. Ich kann es nicht.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, was das bedeutete: Sie hatte es schon mal versucht.
    Meine Mutter steht langsam auf. »Das ist nicht wahr«, sagt sie mit einer Stimme so dünn wie Glas. »Anna, ich weiß nicht, warum du so was sagst.«
    Meine Augen füllen sich mit Tränen. »Warum soll ich mir denn so was ausdenken?«
    Sie kommt näher. »Vielleicht hast du es falsch verstanden. Vielleicht hatte sie nur einen schlechten Tag.« Sie zwingt sich zu dem schmerzlichen Lächeln von Leuten, die in Wahrheit weinen möchten. »Weil sie es mir erzählt hätte, wenn sie wirklich dermaßen durcheinander gewesen wäre.«
    Â»Sie konnte es dir nicht erzählen«, entgegne ich. »Sie hatte zu große Angst, daß sie dich gleich mit umbringt, wenn sie sich das Leben nimmt.« Ich kriege keine Luft mehr. Ich versinke in einer Teergrube. Ich renne auf der Stelle, und der Boden unter meinen Füßen ist verschwunden. Campbell bittet den Richter um eine kurze Unterbrechung, damit ich mich wieder fassen kann, aber als Richter DeSalvo antwortet, kann ich ihn nicht verstehen, weil ich zu heftig weine. »Ich will nicht, daß sie stirbt, aber ich weiß auch, daß sie so nicht mehr leben will, und ich bin diejenige, die ihr geben kann, was sie braucht.« Ich halte den Blick auf meine Mutter gerichtet, während sie vor meinen Augen verschwimmt. »Ich war doch schon immer diejenige, die ihr geben kann, was sie braucht.«
    Das nächste Mal sprach sie das Thema an, als meine Mutter in unserem Zimmer gewesen war und über die Nierenspende gesprochen hatte. »Tu’s nicht«, sagte Kate, als Mom und Dad wieder weg waren.
    Ich sah zu ihr rüber. »Was redest du denn da? Klar tu ich’s.«
    Wir zogen uns gerade aus, und mir fiel auf, daß wir den gleichen Pyjama ausgesucht hatten – Satin mit aufgedruckten Kirschen. Als wir ins Bett gingen, dachte ich, daß wir aussahen wie früher, als wir klein waren und unsere Eltern uns die gleichen Sachen anzogen, weil sie das so niedlich fanden.
    Â»Meinst du, so was funktioniert?« fragte ich. »Eine Nierentransplantation?«
    Kate sah mich an. »Kann sein.« Sie beugte sich vor, die Hand auf dem Lichtschalter. »Tu’s nicht«, wiederholte sie, und erst als ich es das zweite Mal hörte, verstand ich, was sie mir damit in Wahrheit sagen wollte.
    Meine Mutter ist nur einen Hauch von mir entfernt, und in ihren Augen stehen alle Fehler, die sie je gemacht hat. Mein Vater geht zu ihr und legt einen Arm um ihre Schulter. »Komm, setz dich«, flüstert er in ihr Haar.
    Â»Euer Ehren«, sagt Campbell und steht auf. »Darf ich?«
    Er kommt auf mich zu, Judge dicht an seiner Seite. Ich bin genauso zittrig wie er. Ich muß dran denken, wie der Hund sich vor einer Stunde benommen hat. Woher wußte er so genau, was Campbell wirklich brauchte, und wann?
    Â»Anna, liebst du deine Schwester?«
    Â»Ja klar.«
    Â»Aber du warst bereit, etwas zu tun, was sie töten könnte?«
    In mir blitzt etwas auf. »Doch nur, damit sie das alles nicht mehr durchmachen muß. Ich dachte, daß sie das so wollte.«
    Er schweigt; und in dem Moment wird mir klar, daß er es weiß.
    In mir zerbricht etwas. »Und ich … und ich wollte es auch.«
    Wir waren in der Küche beim Abwasch. »Du haßt es, wenn du ins Krankenhaus

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