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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mußt«, sagte Kate.
    Â»Ja, ist doch klar.« Ich trocknete Gabeln und Löffel ab und räumte sie in die Besteckschublade.
    Â»Ich weiß, du würdest alles dafür tun, um nicht mehr hinzumüssen.«
    Ich warf ihr einen Blick zu. »Klar. Weil du dann gesund wärst.«
    Â»Oder tot.« Kate tauchte die Hände in das Spülwasser, darauf bedacht, mich ja nicht anzusehen. Ȇberleg doch mal, Anna. Du könntest in dein Hockeylager fahren. Du könntest dir ein College irgendwo weit weg aussuchen. Du könntest alles tun, was du willst, und müßtest dir keine Sorgen um mich machen.«
    Diese Beispiele hatte sie mir förmlich aus dem Kopf gezogen, und ich merkte, daß ich rot wurde, weil ich mich dafür schämte, daß sie überhaupt in meinem Kopf waren. Kate fühlte sich schuldig, weil sie eine Last war, aber ich fühlte mich doppelt schuldig, weil ich wußte, daß sie es so empfand. Weil ich wußte, daß ich es so empfand.
    Danach redeten wir nicht weiter darüber. Ich trocknete alles ab, was sie mir gab, und wir versuchten beide, so zu tun, als ob wir die Wahrheit nicht kannten: Daß es nämlich außer dem Teil von mir, der immer wollte und will, daß Kate lebt, auch einen anderen schrecklichen Teil von mir gibt, der sich manchmal wünscht, ich wäre frei.
    So, jetzt wissen sie’s: Ich bin ein Ungeheuer. Daß ich diesen Antrag gestellt habe, dafür gibt es einige Gründe, auf die ich stolz bin, und viele, für die ich mich schäme. Und jetzt weiß Campbell auch endlich, warum ich keine gute Zeugin bin – nicht weil ich Angst davor habe, vor den ganzen Leuten zu reden – sondern wegen all dieser gräßlichen Gefühle, von denen manche zu schrecklich sind, als daß man laut über sie sprechen könnte: Daß ich möchte, daß Kate lebt, aber auch ich selbst sein möchte, nicht als Teil von ihr. Daß ich die Chance haben möchte, erwachsen zu werden, auch wenn Kate sie nicht hat. Daß Kates Tod das Schlimmste wäre, was mir je passieren kann … und auch das Beste.
    Daß ich manchmal, wenn ich über all das nachdenke, einen fürchterlichen Haß auf mich selbst bekomme und einfach dahin zurückkriechen möchte, wo ich war, wieder so werden möchte, wie sie mich haben wollen.
    Jetzt sehen mich alle im Saal an, und ich bin sicher, daß der Zeugenstand oder meine Haut oder vielleicht auch beides gleich in sich zusammenfällt. Unter diesem Vergrößerungsglas kann man bis hinein in meinen verdorbenen Kern sehen. Wenn sie mich noch weiter anstarren, löse ich mich vielleicht in blauen, ätzenden Rauch auf. Vielleicht verschwinde ich spurlos.
    Â»Anna«, sagt Campbell leise, »wieso hast du gedacht, daß Kate sterben will?«
    Â»Sie hat gesagt, sie wäre bereit.«
    Er kommt näher, bis er direkt vor mir steht. »Wäre es nicht möglich, daß sie dich aus dem gleichen Grund auch gebeten hat, ihr zu helfen?«
    Ich hebe langsam den Blick und packe das Geschenk aus, das Campbell mir gerade gemacht hat. Was, wenn Kate sterben wollte, damit ich leben kann? Was, wenn Kate nach all den Jahren, in denen ich sie gerettet habe, einfach nur das gleiche für mich tun wollte?
    Â»Hast du Kate gesagt, daß du keine Spenderin für sie mehr sein willst?«
    Â»Ja«, flüstere ich.
    Â»Wann?«
    Â»Am Abend, bevor ich Sie engagiert habe.«
    Â»Anna, was hat Kate gesagt?«
    Daran hatte ich bis jetzt gar nicht mehr gedacht, aber jetzt hat Campbell die Erinnerung wieder aus mir hervorgelockt. Meine Schwester war ganz still geworden, so still, daß ich schon dachte, sie wäre eingeschlafen. Und dann drehte sie sich zu mir um, mit einem brüchigen Lächeln und der ganzen Welt in ihren Augen.
    Ich blicke zu Campbell hoch. »Sie hat danke gesagt.«
    SARA
    Richter DeSalvo schlägt eine Art Exkursion vor, damit er mit Kate sprechen kann. Als wir im Krankenhaus ankommen, sitzt sie aufrecht im Bett und starrt geistesabwesend auf den Fernseher, an dem Jesse mit der Fernbedienung wahllos die Sender wechselt. Sie ist mager, ihre Haut hat einen gelblichen Ton, aber sie ist bei Bewußtsein. »Der Blechmann«, sagt Jesse, »oder die Vogelscheuche?«
    Â»Der Vogelscheuche würde doch die Füllung rausfliegen«, sagt Kate. »Diese Wrestlerin, Chynna, oder der Krokodiljäger?«
    Jesse schnaubt. »Der Kroko-Typ. Wrestling

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