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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Telefon. Bloß, die erste, die ich angerufen hätte, um mit meinem neuen Glück zu prahlen, wäre Kate.
    Kate hat pro Woche drei Dialysesitzungen, die jeweils zwei Stunden dauern. Sie hat einen zweilumigen Katheter, der aussieht, wie ihr Port ausgesehen hat, und an derselben Stelle aus ihrer Brust ragt. Er wird mit einer Maschine verbunden, die die Arbeit erledigt, die ihre Nieren nicht mehr erledigen können. Kates Blut (eigentlich mein Blut, wenn man’s genau nimmt) fließt durch eine Nadel aus ihrem Körper heraus, wird gereinigt und fließt dann durch eine zweite Nadel wieder in ihren Körper zurück. Sie sagt, es tut nicht weh. Es ist vor allem langweilig. Meistens nimmt Kate ein Buch oder ihren Discman mit Kopfhörer mit. Manchmal spielen wir was. »Geh raus auf den Flur und erzähl mir was von dem ersten tollen Typen, den du siehst«, sagt Kate zum Beispiel. Oder: »Schleich dich an den Pförtner ran, wenn er im Internet surft, und guck, von wem er sich Nacktfotos runterlädt.« Wenn sie ans Bett gefesselt ist, bin ich Auge und Ohr für sie.
    Heute liest sie die Zeitschrift »Allure«. Ob sie überhaupt merkt, daß sie jedes Model mit V-Ausschnitt am Schlüsselbein berührt, an der Stelle, wo sie einen Katheter hat und die Models keinen?
    Â»He«, verkündet meine Mutter aus heiterem Himmel, »das ist ja interessant.« Sie wedelt mit einer Broschüre, die sie draußen vor Kates Zimmer am Schwarzen Brett gefunden hat: ›Du und deine neue Niere‹. »Wußtet ihr, daß sie die alte Niere gar nicht rausnehmen? Sie transplantieren einfach die neue in dich rein und schließen sie an.«
    Â»Gruselig«, sagt Kate. »Stell dir vor, der Gerichtsmediziner schneidet dich auf und sieht, daß du drei Nieren hast.«
    Â»Aber die Transplantation ist ja gerade dafür da, daß dich sobald kein Gerichtsmediziner aufschneidet«, erwidert meine Mutter. Diese fiktionale Niere, von der sie spricht, befindet sich im Augenblick in meinem Körper.
    Ich habe die Broschüre auch gelesen.
    Eine Nierenspende gilt als relativ ungefährliche Operation, aber wenn ihr mich fragt, muß der Verfasser sie mit einer Herz-Lungen-Transplantation oder der Entfernung eines Gehirntumors verglichen haben. Unter einer ungefährlichen Operation stelle ich mir einen Eingriff vor, bei dem du zum Arzt gehst und die ganze Zeit wach bist und die Sache nach fünf Minuten vorüber ist – zum Beispiel wenn du eine Warze entfernt bekommst oder der Zahnarzt bohren muß. Aber wenn du eine Niere spendest, mußt du am Abend vor der Operation fasten und ein Abführmittel nehmen. Du kriegst eine Vollnarkose, was solche Risiken wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Lungenprobleme mit sich bringt. Die vierstündige Operation ist auch nicht gerade ein Erholungsspaziergang – deine Chancen, auf dem OP-Tisch zu sterben, betragen 1 zu 3000. Wenn du nicht stirbst, mußt du vier bis sechs Tage im Krankenhaus bleiben, bis zur vollständigen Genesung dauert es allerdings vier bis sechs Wochen. Ganz zu schweigen von den langfristigen Folgen: Das Bluthochdruckrisiko ist erhöht, bei einer Schwangerschaft kann es eher zu Komplikationen kommen, und du solltest möglichst auf Aktivitäten verzichten, bei denen die einzige Niere, die du noch hast, Schaden nehmen könnte.
    Es klopft an der Tür, und ein vertrautes Gesicht lugt herein. Vern Stackhouse ist Sheriff und untersteht daher derselben Behörde wie mein Vater. Er ist früher öfter bei uns zu Hause vorbeigekommen, um guten Tag zu sagen oder uns Weihnachtsgeschenke zu bringen. In letzter Zeit hat er Jesse, wenn der was ausgefressen hatte, nach Hause gebracht, statt ihn der Justiz zu überstellen. Wenn man zu einer Familie mit einer todkranken Tochter gehört, drücken die Leute schon mal ein Auge zu.
    Verns Gesicht ist wie ein Soufflé, das an den erstaunlichsten Stellen einfällt. Er ist offenbar unsicher, ob er reinkommen darf. Ȁhm«, sagt er. »Hallo, Sara.«
    Â»Vern!« Meine Mutter steht auf. »Was machen Sie denn im Krankenhaus? Ist alles in Ordnung?«
    Â»Oh ja, alles bestens. Ich bin beruflich hier.«
    Â»Papiere überstellen, was?«
    Â»Genau.« Vern tritt nervös auf der Stelle und schiebt eine Hand in seine Jacke wie Napoleon. »Es tut mir schrecklich leid, Sara«, sagt er, und dann hält er ihr ein Kuvert hin.
    Genau wie Kate

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