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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Julia. »Du machst Witze.«
    Ich fuhr eine Runde und gleich wieder hinaus. »Ja, stimmt.«
    Auf diese Weise wirkte das weitläufige Haus, zu dem ich zwei Einfahrten später einbog, mit dem buchenbestande nen Garten und dem Blick auf die Narragansett Bay nicht ganz so imposant. Zumindest war es kleiner als das erste .
    Julia schüttelte den Kopf. »Deine Eltern werden einen einzigen Blick auf mich werfen und uns umgehend mit der Brechstange trennen.«
    Â»Sie werden dich lieben«, erwiderte ich. Es war das erste, aber nicht das letzte Mal, daß ich Julia belog .
    Julia taucht mit einem Teller Pasta unter dem Tisch ab. »Laß es dir schmecken, Judge«, sagt sie. »Was ist denn nun mit dem Hund?«
    Â»Er dolmetscht für meine spanischsprechenden Mandanten.«
    Â»Was du nicht sagst.«
    Ich grinse sie an. »Im Ernst.«
    Sie beugt sich vor, kneift die Augen zusammen. »Ich habe sechs Brüder. Ich weiß, wie ihr Kerle tickt.«
    Â»Laß hören.«
    Â»Meinst du, ich verrate dir meine Berufsgeheimnisse? Von wegen.« Sie schüttelt den Kopf. »Vielleicht hat Anna dich engagiert, weil du so schwer zu packen bist wie sie.«
    Â»Sie hat mich engagiert, weil sie meinen Namen in der Zeitung gelesen hat«, sage ich. »Mehr nicht.«
    Â»Aber wieso hast du das Mandat angenommen? Solche Fälle nimmst du doch normalerweise gar nicht an.«
    Â»Woher willst du wissen, was für Fälle ich normalerweise annehme?«
    Ich sage es leichthin, ein Witz, aber Julia verstummt, und da habe ich meine Antwort: Sie hat all die Jahre meine Karriere im Auge behalten.
    So wie ich ihre.
    Ich räuspere mich verlegen und deute auf ihr Gesicht. »Du hast da … etwas Sauce.«
    Sie nimmt ihre Serviette und wischt sich über den Mund, verfehlt aber die Stelle. »Ist es weg?« fragt sie.
    Ich beuge mich mit meiner Serviette vor und wische ihr den kleinen Fleck von der Wange – lasse dann aber die Hand, wo sie ist. Wir blicken einander in die Augen, und in diesem Moment sind wir wieder jung und entdecken die Konturen des anderen.
    Â»Campbell«, sagt Julia, »tu mir das nicht an.«
    Â»Was?«
    Â»Stoß mich nicht ein zweites Mal von derselben Klippe.«
    Als das Telefon in meiner Jackettasche klingelt, zucken wir beide zusammen. Julia stößt versehentlich ihr Glas Chianti um, während ich drangehe. »Nein, beruhige dich. Ganz ruhig. Wo bist du? Okay, ich bin schon unterwegs.« Julia, die den Tisch mit der Serviette abtupft, hält inne, als ich das Handy wegstecke. »Ich muß los.«
    Â»Ist was nicht in Ordnung?«
    Â»Das war Anna«, sage ich. »Sie ist auf der Polizeiwache von Upper Darby.«
    Auf der Fahrt zurück nach Providence fiel mir pro Meile mindestens eine schreckliche Todesart für meine Eltern ein. Erschlagen. Skalpieren. Bei lebendigem Leibe häuten und mit Salz bestreuen. In Gin einlegen, obwohl ich nicht weiß, ob das eine Folter oder schlicht das Nirwana wäre .
    Möglich, daß sie mich gesehen hatten, als ich mich zu Julia ins Gästezimmer schlich und dann mit ihr zur Hinter tür hinaus an die Bucht ging. Möglich, daß sie unsere Sil houetten erkennen konnten, als wir uns auszogen und dann ins Wasser wateten. Vielleicht haben sie sogar gesehen, wie sie ihre Beine um mich schlang und ich sie auf ein Bett aus Sweatshirts und Flanellhosen legte .
    Ihre Entschuldigung, die sie uns am nächsten Morgen beim üppigen Frühstück auftischten, war eine Einladung zu einer Dinnerparty im Club – elegante Garderobe erbeten, nur Familienangehörige. Was Julia natürlich ausschloß .
    Als wir bei ihr zu Hause ankamen, war es so heiß drau ßen, daß irgendein wagemutiger Junge aus der Nachbar schaft den Feuerhydranten aufgedreht hatte und Kinder wie Popcorn durch das spritzende Wasser hüpften. »Julia, ich hätte dich nicht mit zu meinen Eltern schleppen sollen.«
    Â»Es gibt allerhand, was du nicht tun solltest«, bestätigte sie. »Und das meiste hat mit mir zu tun.«
    Â»Ich ruf dich vor der Abschlußfeier an«, sagte ich, als sie mir einen Kuß gab und aus dem Jeep stieg .
    Aber ich rief sie nicht an. Und auf der Abschlußfeier war ich abweisend zu ihr. Und sie denkt, sie weiß, warum, aber sie täuscht sich .
    Das Sonderbare an Rhode Island ist, daß es keinerlei Feng Shui besitzt. Es gibt nämlich zum Beispiel einen Ort namens

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