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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Little Compton, aber keinen, der Big Compton heißt. Es gibt Upper Darby, aber kein Lower Darby. Alle möglichen Ortsnamen grenzen sich von etwas ab, das gar nicht existiert.
    Julia folgt mir in ihrem Wagen. Judge und ich müssen gefahren sein wie die Verrückten, denn es können kaum fünf Minuten seit dem Anruf vergangen sein, als wir die Polizeiwache betreten und eine völlig aufgelöste Anna antreffen. Sie kommt mit verzweifelter Miene auf mich zugestürzt. »Sie müssen was tun«, ruft sie. »Jesse ist verhaftet worden.«
    Â»Wie bitte?« Ich starre Anna an, die mich nicht nur von einem köstlichen Essen, sondern auch von einem Gespräch weggelockt hat, das ich gern zu Ende geführt hätte. »Was hab ich denn damit zu tun?«
    Â»Sie müssen ihn rausholen«, erklärt Anna langsam, als wäre ich schwer von Begriff. »Sie sind Anwalt.«
    Â»Ich bin aber nicht sein Anwalt.«
    Â»Aber können Sie das nicht werden?«
    Â»Ruf doch deine Mutter an«, schlage ich vor. »Wie ich höre, arbeitet sie wieder in ihrem Beruf.«
    Julia gibt mir einen Klaps auf den Arm. »Halt den Mund.« Sie wendet sich an Anna. »Was ist passiert?«
    Â»Jesse hat ein Auto geklaut und ist geschnappt worden.«
    Â»Geht’s auch etwas genauer?« sage ich und bereue es bereits.
    Â»Das Auto ist ein Humvee, glaube ich. Ein großer, gelber.«
    In ganz Rhode Island gibt es, soweit ich weiß, nur einen großen, gelben Humvee, und der gehört Richter Newbell. Kopfschmerzen melden sich zwischen meinen Augen. »Dein Bruder hat einem Richter den Wagen geklaut, und ich soll ihn raushauen?«
    Anna blinzelt mich an. »Ja, klar.«
    Das hat mir gerade noch gefehlt .
    Â»Ich spreche mal mit dem Officer.« Ich lasse Anna bei Julia und gehe zu dem Beamten an der Zentrale, der sich – ich schwöre es – schon jetzt königlich amüsiert. »Ich bin der Anwalt von Jesse Fitzgerald«, sage ich seufzend.
    Â»Tut mir leid, das zu hören.«
    Â»Der Wagen gehört Richter Newbell, hab ich recht?«
    Der Officer lächelt. »Sie sagen es.«
    Ich hole tief Luft. »Der Junge hat keine Vorstrafen.«
    Â»Weil er gerade erst achtzehn geworden ist. Aber als Jugendlicher ist er schon zigmal auffällig geworden.«
    Â»Hören Sie«, sage ich. »Seine Familie macht zur Zeit ziemlich viel durch. Eine Schwester ist todkrank, die andere will ihre Eltern verklagen. Können Sie nicht ein Auge zudrücken?«
    Der Officer sieht zu Anna hinüber. »Ich rede mit dem Staatsanwalt, aber sagen Sie dem Jungen, er soll alles gestehen, weil Richter Newbell nämlich bestimmt nicht gern herkommen würde, um eine Aussage zu machen.«
    Ich verhandele noch ein wenig mit dem Polizisten und gehe dann zurück zu Anna, die mir schon entgegenläuft. »Haben Sie alles geregelt?«
    Â»Ja. Aber ich mach das nicht noch einmal, und mit dir bin ich auch noch nicht fertig.« Ich marschiere nach hinten zu den Arrestzellen.
    Jesse Fitzgerald liegt auf dem Rücken auf der Metallpritsche, einen Arm über die Augen gelegt. Einen Augenblick lang bleibe ich vor der Zelle stehen. »Du bist für mich das beste Argument für natürliche Auslese, das mir bisher untergekommen ist.«
    Er setzt sich auf. »Wer sind Sie denn?«
    Â»Deine gute Fee. Du Vollidiot – ist dir eigentlich klar, daß du den Humvee eines Richters geklaut hast?«
    Â»Woher hätte ich denn wissen sollen, wem der Wagen gehört?«
    Â»Wenn du demnächst mal wieder einen fahrbaren Untersatz brauchst, dann geh zur Autovermietung, klar?« sage ich. »Ich bin Anwalt. Deine Schwester hat mich gebeten, dich zu vertreten. Und wider besseren Wissens, hab ich ja gesagt.«
    Â»Im Ernst? Dann können Sie mich hier rausholen?«
    Â»Du kommst mit der Auflage frei, daß du deinen Führerschein abgibst und dich bereit erklärst, zu Hause zu wohnen, was ja bereits der Fall ist und daher kein Problem darstellen dürfte.«
    Jesse überlegt. »Muß ich auch mein Auto abgeben?«
    Â»Nein.«
    Ich sehe ihm förmlich an, was ihm durch den Kopf geht. Einen Burschen wie Jesse interessiert so ein Stück Papier, das ihm erlaubt, ein Fahrzeug zu führen, herzlich wenig, solange er Räder unterm Hintern hat. »Super«, sagt er.
    Ich gebe einem Officer, der in der Nähe wartet, ein Zeichen, und er schließt die Zelle auf.

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