Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
jetzt geschah, denn wie sollte sie sonst diese Spannung aushalten? Hier oben in dem dämmrigen, staubigen Speicher voller Spinnweben schien es, als ob er endlich den nächsten Schritt unternehmen nehmen würde. Und sie würde ihn nicht aufhalten. Na gut, es war vielleicht nicht gerade ein besonders romantischer Ort, aber …
Da-da-daaaa, da da da diii!
Cleo erstarrte. Manchmal, nur manchmal, wünschte sie sich, das Handy wäre nie erfunden worden!
Johnny murmelte in ihr Ohr. »Du musst ja nicht rangehen.«
Das war ein verlockender Gedanke, aber gerade heute durfte sie ihm nicht nachgeben.
»Ich muss. Einer der anderen Fahrer fühlte sich heute morgen nicht wohl, darum habe ich Bereitschaft.« Cleo krümmte sich innerlich, als sie den Namen des Grimmigen Graham auf dem Display las. Sie betätigte die Taste zum Annehmen des Gesprächs und drückte sich die Daumen. »Hallo, was ist los?«
»Don hat eine Lebensmittelvergiftung, ganz übel. Er kann nicht nach Edinburgh fahren. Aber die Kunden müssen in vierzig Minuten abgeholt werden, also solltest du sofort in die Hufe kommen.« Graham klang brüsk.
Ihr sank der Mut. Es hatte keinen Zweck, zu diskutieren oder sich herauszuwinden. Sie hatte einen Job zu erledigen, und mehr gab es nicht zu sagen. »Ist gut, kein Problem.«
Neben ihr fragte Johnny tonlos: »Arbeit?«
Cleo nickte.
»Schade«, flüsterte er.
Das war die Untertreibung des Jahres. Cleo fragte: »Wo sind die Kunden gerade?«
»Im Marriott. Und komm ja nicht zu spät, die sind unglaublich pingelig.«
Das Marriott war das Fünf-Sterne-Hotel in der Innenstadt, und um diese Tageszeit bedeutete das, dass sie nur fünf Minuten hatte, um sich den Staub abzuduschen und ihre Uniform anzuziehen. Cleo rappelte sich auf und sah zu Johnny, wagte aber nicht, Bedauern zu signalisieren, nicht einmal mit den Augen. Sie sagte in den Hörer: »Ich bin schon unterwegs.«
36.
Kapitel
Es war nicht die Colston Hall, aber so kurzfristig hatte er nichts Besseres zustande gebracht. Manchmal musste man aus dem, was man kriegen konnte, einfach das Beste machen.
»Ich habe wieder zwei Karten erhalten«, sagte Ash, »für Madame Butterfly . Am nächsten Dienstag im Pargeter Theatre in Clifton.«
»Ist das Ihr Ernst?« Fias Gesicht strahlte auf. »Hach, das ist meine Lieblingsoper!«
Ash hatte so eine Ahnung gehabt. Vor Wochen hatte Frank einmal genüsslich verkündet, dass Fia seine Sendung nicht hörte, weil sie auf dieses tirilierende Madame Butterfly Zeugs stand.
»Es ist eine Tourneeproduktion. Angeblich soll es ziemlich gut sein.«
»Das ist phantastisch . Ash, ich danke Ihnen sehr, das ist wirklich nett von Ihnen!«
O nein, darauf fiel er nicht noch einmal herein. Gutmensch Aaron war von nun an auf sich allein gestellt. Ash wappnete sich. »Die Sache ist die, ich muss für den Sender eine Kritik der Aufführung verfassen. Darum haben wir die Karten überhaupt erst bekommen.«
»Oh.« Der Wechsel in Fias Gesichtsausdruck fuhr wie ein Messerstoß zwischen seine Rippen. »Ach. Ich verstehe.«
»Aber es ist trotzdem Madame Butterfly .« Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er konnte aber nicht auf die Knie fallen und sie anflehen, ihn zu begleiten. Denn genau das wollte sie augenscheinlich nicht.
Sie zögerte, und er sah, wie sie mit ihrem Gewissen rang. Am Ende siegten ihre guten Manieren, und Fia platzte nicht mit den Worten heraus: »Ich würde mir lieber eigenhändig die Füße absägen, als mit einem fetten Loser wie Ihnen ins Theater zu gehen!« Stattdessen lächelte sie tapfer und meinte: »Tja, wie schön, es wird sicher nett. Danke für die Einladung.«
»Ja.« Ash versetzte sich innerlich einen Tritt. Wegen seiner blöden Schüchternheit konnte er nicht einmal die einfachsten Sätze formulieren. Etwas zu spät sagte er: »Kein Problem.« Mein Gott, was stimmte nur nicht mit ihm? Das war jetzt seine große Chance; endlich hatte er es geschafft, Fia mit einem Trick dazu zu bringen, mit ihm auszugehen. Auch wenn es keine echte Verabredung war und sie sich nur einverstanden erklärt hatte, weil er ihr sonst nie wieder kostenlose Karten überlassen würde.
Trotz allem spürte Ash das Prickeln von Aufregung und Hoffnung.
Es mochte nicht viel sein. Na schön, es war nicht viel.
Aber es war ein Anfang.
Im Fernsehen lief eine mit Musik unterlegte Aerobics-Sendung, und Abbie machte mit, während sie den Teppich saugte. Sie drehte die Lautstärke auf, damit sie die Musik über das Dröhnen des Staubsaugers
Weitere Kostenlose Bücher