Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
Katastrophe sei.
Zu sagen, dass Abbie sich wünschte, Patty Summers nie begegnet zu sein, wäre die Untertreibung des Jahres, aber wenigstens hatte sie dadurch etwas gelernt. Niemals wieder würde sie ihre Hoffnungen und Träume einer anderen Frau anvertrauen.
9.
Kapitel
Jetzt, 19 Jahre später, wurde Abbie klar, dass Tom sie an den Händen hielt. Ihr Gehirn fühlte sich an, als habe man es fest geschüttelt wie eine Schneekugel und dann verkehrt herum wieder eingesetzt. Was er ihr erzählt hatte, war einfach unglaublich. Es konnte nicht wahr sein. Aber tief in ihrem Innern wusste Abbie, dass es tatsächlich stimmte.
»Patty hat uns angelogen«, wiederholte Tom. »Sie ist gleich beim ersten Versuch schwanger geworden. Aber ihr wurde klar, dass sie das Baby nicht weggeben konnte. Sie hatte nicht erwartet, dass sich ihre Gefühl dermaßen ändern würden, doch das taten sie. Kaum setzten die Hormone ein, wusste sie, dass sie das Baby für sich behalten wollte. Also erzählte sie es ihrer Mutter, die versprach, ihr zu helfen … und das war es dann.«
»Sie hat uns unser Baby genommen. Sie hat es gestohlen.«
»Rechtlich gesehen war es nicht unser Baby.« Toms Stimme war sanft, aber auf einmal spürte sie den Schmerz, den er auch durchlitt. Dieses 18-jährige Mädchen war zur Hälfte Pattys Kind und zur Hälfte seines. Sie war seine biologische Tochter, und er war um das Wissen betrogen worden, dass es sie gab, um die Möglichkeit, sie zu lieben und sie aufwachsen zu sehen.
Und wo schon von Betrug die Rede war … o Gott, Abbie wurde schlecht, als sie an die vergangene Nacht dachte. Sie mochte nicht mit Des Kilgour geschlafen haben, aber es hätte leicht passieren können. Und sie hatte die Nacht bei ihm im Bett verbracht. Es würde Tom umbringen, wenn er das jemals herausfände. Tja, er durfte es eben nicht herausfinden, so einfach war das. Doch daran mochte sie jetzt nicht denken. Die Tochter, die sie in den vergangenen 18 Jahren verpasst und um die sie getrauert hatten, lebte und war neugierig auf ihren Vater und wollte ihn unbedingt treffen.
»Süße, es tut mir so leid.« Tom strich ihr über die Haare. »Ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte.«
Er trug an all dem keine Schuld. Sie hatte den besten Ehemann auf der Welt, und sie hatte ihn nicht verdient.
»Ach, schon gut. Ich hätte dich auch nicht so anschreien dürfen.« Würden er und Georgia eine Vater-Tochter-Beziehung aufbauen? Würde sie davon ausgeschlossen sein? Abbies Herz klopfte schmerzhaft, aber das Mindeste, was sie jetzt tun konnte, war, für Tom da zu sein. Sie brachte ein Lächeln zustande. »Tja, ich denke, du solltest das Mädchen anrufen. Bestimmt kannst du es kaum erwarten, sie kennenzulernen.«
Cleo musste unbedingt über Will sprechen. Sobald Shelley käme, um Saskia abzuholen, wollte sie sich auf sie stürzen.
»Hallo, tut mir leid, dass ich zu spät komme – der Flug des Kunden hatte Verspätung!« Shelley eilte kurz vor acht an ihr vorbei ins Haus, griff sich Saskias Mantel von der Garderobe und rief: »Sass? Komm, Schätzchen, wir müssen schnell nach Hause und dich ins Bett packen. Morgen ist Schule.« Über ihre Schulter rief sie Cleo zu: »Wie war der Weihnachtsmann? Hat es euch gefallen?«
»Ja, toll. Äh, kannst du nicht noch kurz auf eine Tasse Kaffee bleiben? Nur zehn Minuten? Du wirst nicht glauben, was mir pass …«
»Sehr gut, die Arme müssen hier hinein … braves Mädchen, jetzt noch die Stiefel … tut mir leid, wir können wirklich nicht bleiben. Ich muss noch die Sportsachen von Sass waschen und bügeln, sobald wir zu Hause sind … habe ich gestern völlig vergessen! Hast du ein Geschenk vom Weihnachtsmann bekommen, Süße? Oh, wie entzückend! Also schön, weg sind wir! Bis dann!«
Niemand war wirbelwindiger als Shelley, wenn sie in Eile war. Innerhalb von Millisekunden waren die beiden zur Tür hinaus, saßen im Wagen und brausten in Richtung Bristol. Cleo stand mit offenem Mund wie ein Karpfen auf der Schwelle.
Trotzdem musste sie unbedingt loswerden, was ihr passiert war.
Na schön, also gut. Dann würde sie es eben Ash erzählen müssen. Und drohen, ihn zu schlagen, falls er anfing zu lachen.
Rasch sprang sie über das Mäuerchen, das ihre Häuser voneinander trennte, und betätigte den Türklopfer an seiner Haustür. Es war allerdings kein vielversprechendes Zeichen, dass sein Cottage völlig im Dunkeln lag.
Nachdem sie seinen Namen zweimal vergeblich durch den
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