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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ich steckte die Brieftasche und die Pistole in meine Tasche. »Raus aus dem Wagen.«

    Während wir über den Parkplatz auf die helle Beleuchtung des Supermarkts zugingen, knöpfte ich meine Jacke zu, um die schwarzen Flecken auf meinem Hemd zu verdecken.
    |60| »Tun Sie nichts und sagen Sie nichts«, befahl ich Kamal.
    Er nickte.
    Wir betraten den Supermarkt.
    Es war ein großer Laden: Lebensmittel, Kleidung, Spielzeug, Schreibwaren, eine Apotheke, alles Mögliche. Die Gänge waren breit und nicht zu voll. Ich trödelte nicht rum, sondern griff dies und das und warf es in den Wagen: Hose, Hemden, eine Jacke, einen Mantel, Unterwäsche, Schuhe, Schokoladenriegel, Pasteten, vorgekochtes Hühnerfleisch, Paracetamol, Cola, eine Flasche Wasser, eine Flasche Wodka, einen billigen Rucksack, eine Straßenkarte.
    An der Kasse lächelte Kamal, als er der Kassiererin seine Karte reichte.
    »Wollen Sie auch Bargeld abheben?«, fragte sie.
    »Ja, geben Sie mir auf fünfzig raus, bitte.«
    Ich faltete die Anziehsachen, schob sie in eine Einkaufstüte und steckte das Geld sowie die restlichen Sachen in den Rucksack. Auf dem Weg hinaus blieben wir an einem Automaten stehen und ich hob noch einmal 250 Pfund ab.

    Zurück im Wagen, öffnete ich die Wasserflasche und nahm einen kräftigen Schluck. Ich aß einen Mars-Riegel, dann noch einen, dann nahm ich vier Paracetamol, die ich mit noch mehr Wasser hinunterspülte. Währenddessen saß Kamal reglos auf dem Fahrersitz und starrte durch die Windschutzscheibe.
    Ich packte eine Fleischpastete aus und dachte darüber nach, was ich als Nächstes tun sollte.
    Ich musste jetzt allein sein. Ich musste mich verstecken.
    |61| Ich musste zur Ruhe kommen.
    Ich musste Zeit zum Nachdenken finden.
    Ich musste allein sein.
    Ich befahl Kamal, den Motor zu starten.

    Eine Weile fuhren wir schweigend – das kleine Schweigen eines kleinen Autos auf einer großen, nassen Straße – und ich schaute umher in die vorüberziehende Schwärze. Zu sehen gab es nicht viel. Eine flache, fast leere Landschaft aus endlosen Straßen und langen Kurvenlinien orangefarbener Lichter, die in der Ferne total verschwammen. Kamal fuhr ruhig, seine scharfen Augen flogen ständig zwischen Spiegel und Straße hin und her. Der Verkehr floss gleichmäßig. Es war Montagabend halb acht.
    »Was, glauben Sie, wird Ryan jetzt machen?«, fragte ich Kamal.
    »Nach dir suchen.«
    »Sie meinen, nach uns suchen.«
    »Ja.«
    »Was würden Sie tun, wenn Sie ich wären?
    »Wenn ich du wär?«
    »Was würden Sie dann tun?«
    Während er überlegte, hüllte plötzlich starke Gischt von den Rädern eines vorbeifahrenden Lasters die Seitenfenster ein und ließ uns ein bisschen nach links schlingern. Kamal steuerte gegen und ließ den Laster vorbei. Ich sah durch den Regen auf ein vorübergleitendes Verkehrsschild: CHELMSFORD 15, LONDON 40.
    »Ich denke, du hast zwei Möglichkeiten«, sagte Kamal. »Entweder du vertraust mir oder du tötest mich.«
    Es war eine gute Antwort, eine ehrliche Antwort.
    Zwei Möglichkeiten.
    |62| Vertrauen oder töten.
    Ich ließ das Schweigen in der Luft hängen.
    »Wenn ich du wäre«, fuhr Kamal fort, »würde ich mir vertrauen.«
    Ich lächelte ihn an. »Warum?«
    »Weil du mich nicht töten willst.«
    »Ich will Ihnen aber auch nicht vertrauen.«
    »Ist aber die bessere Option.«
    »Ja?«
    »Glaub schon.«
    »Sie würden also.«
    »Würde ich.«
    Ich trank noch mal und klappte danach die Straßenkarte in meinem Schoß auf.

    Vertraute ich ihm?
    Ja und nein.
    Ich hatte keine große Wahl.

    »Die Nächste hinter der Brücke links«, forderte ich ihn auf.
    Wir bogen von der Hauptstraße ab und folgten einer abschüssigen Kurve auf einen düsteren Kreisverkehr zu, der von Kiefern umgeben war. Ich studierte die Karte.
    »Wenn Sie im Kreisverkehr sind, die zweite Ausfahrt«, sagte ich. »Danach müsste es die Zweite links sein.«

    Der Parkplatz am Bahnhof von Heystone bestand aus einer kleinen Betonfläche, die von Schlaglöchern übersät war. Als wir ankamen, war er leer. Keine Autos, keine Menschen, auch sonst |63| nicht viel, was einem ins Auge sprang – ein kaputter Zaun, ein Graben voller Zeug, das sich eben in Gräben findet, und hohe Bäume, deren Äste sich im Wind neigten.
    Mein Bauch schmerzte.
    Ich las den Fahrplan, der außen am Bahnhof hing – in zwanzig Minuten fuhr ein Zug nach London und in fünfundzwanzig einer nach Ipswich. Ich ließ Kamal den Wagen ans andere Ende des Parkplatzes fahren, weg

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