Beiss mich - Roman
Praktischerweise hatte ich dafür keinen Cent bezahlen müssen, weil es eine Prämie war, die ich für die Anwerbung eines Abonnenten bekommen hatte. Solveig und ich warben uns seit Jahren gegenseitig als Abonnenten für möglichst preiswerte Zeitschriften mit möglichst teuren Prämiengeschenken. Nach der kürzestmöglichen Frist kündigten wir dann die Blättchen wieder, um uns erneut im Schlaraffenland der Prämienlandschaften umzutun.
Mein Vater probierte die Maschine sofort aus und beglückte uns kurz darauf mit frisch gebrühtem Espresso.
»Schmeckt nach Öl«, meinte meine Mutter.
»Dann hast du kein Wasser durchlaufen lassen«, sagte Lucas zu meinem Vater. Seine Augen waren so rot und glasig wie bei einem gedopten Kaninchen. Ich fragte mich, ob ich nach dem letzten Joint genauso aussah.
Papa wirkte irritiert. »Was glaubst du denn, womit ich den Kaffee gemacht habe?«
»Du musst bei diesen Dingern vor der ersten Benutzung mindestens zweimal Wasser durchlaufen lassen. Ohne Kaffee, im Leerlauf sozusagen. Damit die Ölrückstände rausgehen.«
»Die Italiener tun sowieso Öl in ihren Kaffee«, behauptete Oma. »Die tun überall Öl rein. Wir nehmen das nur zum Baden.«
Für sie und Opa hatte ich tatsächlich ein kleines Sortiment Badeöl und ein paar Flaschen Nerventonikum eingekauft. Bei Aldi hatten sie neulich einen riesigen Sonderposten von dem Zeug losgeschlagen, zu einem absoluten Spottpreis.
Für Lucas hatte ich ein Buch mit zahlreichen Anleitungen zum Austricksen des Finanzamtes mitgebracht, das mich ebenfalls nichts gekostet hatte, weil ich es von irgendjemandem zu meinem letzten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Mir nützte es nichts, weil ich mangels zu versteuernder Einkünfte sowieso nicht in die Verlegenheit kam, das Finanzamt zu beschummeln. Blieb nur zu hoffen, dass nicht Lucas derjenige gewesen war, der es mir geschenkt hatte, doch da er meinen Geburtstag meist vergaß, konnte ich diese Möglichkeit wohl getrost vernachlässigen.
Leider hatte er das Buch schon. »Du kannst mir den Bon geben, dann tausche ich es um.«
»Da muss ich erst mal zu Hause nachsehen, wo ich ihn hingetan habe«, behauptete ich.
Ich selbst erhielt ebenfalls von allen Seiten praktische Geschenke. Von meinen Eltern bekam ich hundert Euro und die Mappe mit den Fotokopien, die meine Mutter von den Lucia-Dokumenten angefertigt hatte, von meinen Großeltern fünfzig Euro, und von Lucas eine rindslederne Brieftasche, auf der das Emblem der Bank eingeprägt war, bei der er arbeitete.
»Die kostet normal mindestens hundertfünfzig Euro«, meinte er.
Damit kam ich auf einen Schnitt von dreihundert Euro, was für einen Heiligabend gar nicht so schlecht war.
*
Den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachte ich, ebenfalls traditionsmäßig, zusammen mit Solveig, die seit meiner Scheidung so etwas wie meine bessere Hälfte geworden war. Wir teilten alles miteinander, soweit es möglich war, von bestimmten Dingen, die wir für unteilbar hielten, einmal abgesehen. Männer zum Beispiel. Ihre Lover waren meist ziemlich nett und zeugten von ihrem treffsicheren Geschmack, doch ich wäre nicht im Traum auf die Idee verfallen, ihr einen ihrer Freunde abspenstig zu machen oder sie gar, sobald sie abgelegt waren, zu übernehmen. In diesem Punkt herrschte zwischen uns eine unausgesprochene Übereinkunft. Ähnlich war es bei unseren Klamotten, die hielten wir immer streng auseinander. Allerdings entsprang diese strikte Trennung von Mein und Dein nicht irgendwelchen Eigentumsprinzipien, sondern lag an unserer unterschiedlichen Größe. In Solveigs Sachen hätte ich ausgesehen wie ein kleines Mädchen, das Verkleiden spielt. Außerdem teilte ich nicht gerade ihren Geschmack. Sie bevorzugte damenhafte Mode: schwingende Röcke, auf Figur geschnittene Etuikleider, edle Unterwäsche und feine Seidenblusen. Sie hatte – abgesehen von ein paar Jeans oder Joggingklamotten – kaum ein Teil im Schrank, das man in der Maschine waschen konnte.
Ich selbst bevorzugte eher sportliche Mode, am liebsten trug ich Jeans und Stiefeletten, die mich größer aussehen ließen.
Abgesehen von Männern und Kleidung war alles Übrige in unserem Haushalt gemeinschaftlicher Nutzung zugänglich, angefangen vom Schminkzeug bis hin zum Auto (meine alte Rostlaube streikte ziemlich häufig). Die Hausarbeit funktionierte ebenfalls in reibungsloser Arbeitsteilung. Solveig kochte leidenschaftlich gern, und mir machte es nichts aus, den Staubsauger herumzuschieben und ab
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