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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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du von Marihuana schon mal einen Flashback gekriegt?«
    »Nein, noch nie. Meines Wissens gibt es so was nur bei LSD .«
    »Ach so.«
    »Warum? Hattest du einen?«
    »Nein. Ich frage nur so allgemein.«
    Damit ließ ich es bewenden. Vielleicht hätte ich mir unter anderen Umständen noch tagelang deswegen den Kopf zerbrochen, doch ich hatte viel akutere Probleme.
    Wieder waren drei Tage vergangen, und ich hatte immer noch nichts gegessen. Und, was fast noch bedenklicher war, ich hielt es vor meiner Umwelt geheim. Schlimmer konnten sich auch magersüchtige oder bulimiekranke Frauen nicht aufführen. Dabei machte sich meine Appetitlosigkeit physisch zu meiner eigenen Überraschung kaum bemerkbar. Durch die Grippe hatte ich etwas abgenommen, doch nicht mehr, als man es nach einer solchen Krankheit erwarten konnte. Der Gewichtsverlust war zudem nur vorübergehend. Seit es mir besser ging, hatte ich sogar wieder ein oder zwei Pfund zugenommen, und das, obwohl ich außer ein paar Tassen Instant-Gemüsebrühe nichts zu mir genommen hatte. In den letzten Tagen hatte ich auch die nicht mehr vertragen und mich auf den Genuss von Wasser beschränkt.
    Eigentlich hätte ich aussehen müssen wie ein wandelndes Gerippe, doch dem war nicht so. Ich war immer noch blass, aber die Schatten unter meinen Augen waren genauso schnell verschwunden wie der Bluterguss an meinem Hals (Solveig hatte gemeint, ich hätte mir da wohl im Fieber ein paar Pickel aufgekratzt), mein Körper war straff, mein Blick klar. Das war der Hauptgrund, warum ich es für überflüssig hielt, einen Arzt aufzusuchen. Ich fühlte mich schlicht und ergreifend nicht mehr krank.
    Dafür fielen mir andere Veränderungen auf, die ich jedoch sämtlich als Folgeerscheinungen der Grippe diagnostizierte. Meine Verdauung existierte zum Beispiel so gut wie überhaupt nicht mehr. Ich musste meine Blase entleeren, wenn ich Wasser getrunken hatte, doch ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal Stuhlgang gehabt hatte. Nicht, dass ich sonderlich verrückt darauf gewesen wäre; ich litt an keiner wie auch immer gearteten analen Fixierung, doch seltsam fand ich es schon.
    Außerdem war mein Schlafrhythmus völlig durcheinandergeraten. Nachts lag ich stundenlang wach und konnte, egal, wie ich es anstellte, nicht in den Schlaf finden. Tagsüber packte mich häufig ein unbezähmbares Bedürfnis, mich hinzulegen. Ich ging dazu über, mir einen Mittagsschlaf zu gönnen, und es kam vor, dass ich erst gegen Abend wieder aufwachte, wenn Solveig von der Arbeit kam.
    Dann war da meine extreme Lichtempfindlichkeit. Direkte Sonneneinstrahlung verursachte mir hämmernde Kopfschmerzen. Meine Augen begannen zu tränen und zu brennen, ja, ich hatte sogar den Eindruck, als würde meine Haut anfangen zu prickeln und zu jucken, wenn ich zu viel Tageslicht abbekam. Ich war noch nicht draußen gewesen, argwöhnte aber, dass diese Probleme im Freien noch drastischer hervortreten könnten.
    Als ich begann, in der Wohnung eine Sonnenbrille zu tragen, meinte Solveig: »Mit dieser Lichtallergie solltest du mal zum Arzt gehen.«
    »Habe ich mir schon vorgenommen.« Ich lag – bei halb herabgelassenen Rollos – auf dem Sofa im Wohnzimmer und sah gelangweilt fern. Es war Samstag Mittag, und ich war nur aufgestanden, weil Solveig mich geweckt hatte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich bis zum Abend weitergeschlafen, doch das konnte ich ihr unmöglich antun. Sie hatte eingekauft und für uns beide gekocht, Spaghetti Alfredo, ein Gericht, bei dem ich normalerweise in Verzückung geriet. Heute wurde mir schon von dem Geruch elend. Zum Nachtisch stand Zabaione auf dem Plan, und später zum Kaffee sollte es kalifornischen Bananen-Nusskuchen geben. Für diesen Kuchen wäre ich noch vor ein paar Wochen meilenweit gerannt, nur um ein winziges Stück davon essen zu dürfen. Heute versetzte mich die Aussicht, auch nur daran schnuppern zu müssen, in Panik.
    Weil mir nichts Besseres eingefallen war, hatte ich Migräne vorgeschützt und so getan, als hätte ich etwas eingenommen.
    »Hilft die Tablette?«
    Ich nickte und merkte, wie mein Gewissen sich schmerzhaft meldete. Was war los mit mir? Wieso brachte ich es nicht fertig, mit ihr über meine Essprobleme zu sprechen? War sie meine beste Freundin oder nicht? Hatte sie etwa nicht ihren gesamten Winterurlaub dafür geopfert, mich zu pflegen und aufzupäppeln? Sie hätte ihre Freizeit weit sinnvoller verbringen können, mit netten Freunden auf einer

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