Beiss mich - Roman
mir herausrann, wie es in Strömen für immer und unwiederbringlich weggesogen wurde, wie ich Herzschlag um Herzschlag der Vollkommenheit näher kam. Die Ekstase war unbeschreiblich, und dann, im Augenblick höchster orgiastischer Erfüllung, zwang mich eine namenlose Macht jenseits allen Vorstellungsvermögens, meine Zähne in seinen Hals zu schlagen und sein Blut zu trinken.
Das heißt, ich versuchte es. Ich riss den Mund auf, bis meine Kiefergelenke knackten, und biss zu. Seine Haut erwies sich allerdings als ziemlich fest. Ich bekam vielleicht ein paar Tropfen in den Mund, doch das war auch schon alles. Leider, denn der Geschmack dieses Blutes war über alle Maßen berauschend. Ich biss härter zu, schleckte und saugte und versuchte hektisch, mehr davon zu kriegen.
Das war dann auch bedauerlicherweise der Moment, in dem mein Traum in die unerfreuliche Phase überging. Mein Liebhaber fuhr zusammen, zog sich ruckartig aus mir zurück und fasste sich an den Hals.
»Du hast mich gebissen!«, stieß er schwer atmend hervor.
Träge hob ich eine Hand und wischte mir das Blut von den Lippen. »Klar. Du hast mich ja auch gebissen.«
»Was für eine schicksalsträchtige Begegnung.« Er stieg von mir herunter und fing an, sich anzuziehen. »Womit bewiesen wäre, dass manche Geschehnisse unausweichlich sind.«
»Was meinst du damit genau?«, fragte ich verwirrt.
»Dass ich ins Wasser gesprungen bin, obwohl ich wusste, wie tief es ist. Immerhin hat es dir gefallen.«
»Worauf du wetten kannst.« Ich betrachtete ihn lächelnd und genoss den Ausklang des beseligenden Pochens zwischen meinen Beinen.
Er sah phantastisch aus! Um alles an ihm gebührend bewundern zu können, war es zu dunkel im Zimmer, doch ich erkannte die Umrisse seines kräftigen Körpers, die markante Linie seiner Schultern, den Schwung seiner muskulösen Hüften, ein angedeutetes, männlich festes Hinterteil, und zwischen seinen massiven Schenkeln …
»Wow«, sagte ich beeindruckt. »Willst du wirklich nicht mehr? Du warst doch noch gar nicht fertig.«
Doch er war schon bei der Tür. »Du kleine Idiotin, du weißt ja nicht, was du getan hast.«
Jetzt wurde der Traum wirklich blöd.
»He, warte mal«, protestierte ich. Aber er war schon verschwunden, und ich hatte noch nicht mal die Tür aufgehen sehen.
Na ja, so hielten es halt Vampire von Format. Kamen und gingen, ohne dass man es richtig mitkriegte.
Mein Traum ging noch eine Weile weiter. Draußen hatten die anderen mit Bleigießen angefangen, ich hörte es an den lautstarken Kommentaren über die Menge der zulässigen Bleiladung pro Löffel und am Streit über die Ergebnisse, die zischend in der Wasserschüssel landeten. Danach zerfaserten die Bilder meines Traums zu bunten, leuchtenden Mustern, und der Rest entzieht sich meiner Erinnerung.
*
Am nächsten Morgen war ich zu krank zum Aufstehen. Ich versuchte es, weil ich durstig war, doch ich kam nur drei Schritte weit, dann versagten mir die Beine den Dienst, und ich fiel polternd zu Boden. Nach einer Weile schleppte ich mich zum Bett zurück und kroch wieder zurück unter die Decke. Mir war schlecht, und mein Hals brannte wie Feuer. Als ich den Mund öffnete, um Solveig zu rufen, kam nur ein heiseres, schmerzhaftes Röhren heraus. Ich ließ es lieber und wartete darauf, dass sie von allein käme. Irgendwann muss ich wohl wieder eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal zu mir kam, stand ein fremder Mann neben meinem Bett und drückte mir ein eiskaltes Ding auf die Brust.
»Hilfe«, krächzte ich.
»Das ist nur der Arzt.« Solveig tauchte hinter dem Mann auf. Ihr Gesicht verschwamm zu einer blassen Scheibe. »Um Gottes willen, ist es sehr schlimm?«
»Eine veritable Influenza. Dazu eine beginnende Lungenentzündung.«
»Muss sie ins Krankenhaus?«
»Wir warten bis morgen. Wenn sie dann nicht auf die Medikamente anspricht – ja. Wichtig ist, dass sie viel Flüssigkeit zu sich nimmt.«
Die Worte drangen als gedämpftes Gemurmel an mein Ohr. Ich konnte weder richtig hören noch sehen; es war, als befände ich mich unter Wasser, ohne festen Bezug zur Wirklichkeit und umgeben von lauter verschwimmenden Schatten und Figuren.
Ich dämmerte wieder weg, und im Traum erschien mir die Nonne Lucia. Sie trat aus dem Nichts auf mich zu, ohne Schleier, aber im schwarzen Nonnengewand, blond, hübsch und sehr blass, und bei näherem Hinsehen erkannte ich verblüfft, dass sie mein Spiegelbild hätte sein können. Zwischen ihren Lippen perlte
Weitere Kostenlose Bücher