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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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Puls fühlte und ich meine Atemzüge zählen musste, die im Übrigen ebenso häufig kamen wie bei ihr.
    Ob ich allergisch gegen fließendes Wasser / Knoblauch / Kreuze geworden war?
    Nein in allen Punkten.
    Sie nervte mich mit tausend Fragen nach weiteren, völlig uninteressanten Details, etwa, ob ich noch schwitzte, und wenn ja, ob ich dann anders roch als früher, ob – und wenn ja, wie oft – ich zur Toilette musste, ob ich meine Beine rasieren musste, ob ich noch weinen, schlucken, rülpsen konnte. Ob ich über dieselben Witze lachen konnte wie früher.
    Anfangs beantwortete ich alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen, aber irgendwann ging sie mir mit ihrer Neugier derart auf die Nerven, dass ich mich wieder auf mein Zimmer zurückzog. Sie reagierte darauf so verschnupft, dass ich mich gezwungen sah, wieder schönes Wetter bei ihr zu machen. Nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen wegen meines Rückzugs hatte, sondern um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sie meine Lebensversicherung war.
    Ich war nicht etwa panisch, sie könne, bloß weil sie sauer auf mich war, in einer Kurzschlussreaktion doch noch mein Rollo hochziehen, während ich schlief. Es bereitete mir zwar Sorge, dass das Schloss an meiner Zimmertür immer noch kaputt war, aber so viel Mordlust traute ich Solveig nicht zu. Ich musste jedoch berücksichtigen, dass sie mir auch auf andere Weise schaden konnte, und das nicht einmal in böser Absicht. Etwa, indem sie herumtratschte. Solveig war von Hause aus ein sehr mitteilsamer Mensch. Sie konnte nicht gut Geheimnisse hüten, und dass sie es in meinem Fall überhaupt fertigbrachte, grenzte an ein Wunder. Wenn wir nicht so eng befreundet gewesen wären, hätte sie diese Verschwiegenheit sicher nicht an den Tag gelegt. Das hätte sie nie und nimmer durchgehalten. Nach einer Woche hätte halb Frankfurt davon gewusst, dass sie mit einem Vampir zusammenwohnte.
    *
    Für die Geburtstagsfeier meiner Großeltern machte ich mich sorgfältig zurecht. Ganz gegen meine sonstige Gewohnheit schminkte ich mich, wobei ich vor allem mit dem Rouge nicht sparte. Ich hätte Solveig gern gefragt, ob ich normal aussah – normal im Sinne von unverdächtig –, doch sie war nicht zu Hause. Ich hatte keine Ahnung, wo sie sich aufhielt, und es interessierte mich auch nicht sonderlich. Mir war es nur recht, wenn sie nicht da war, denn ihre zunehmende Gereiztheit verursachte mir Magenkribbeln. Dem kommenden Freitag sah ich mit äußerstem Unbehagen entgegen.
    Da die Feier schon um sechs Uhr anfing, kam ich zu spät, denn ich wurde erst gegen halb sechs wach und musste mich danach noch fertigmachen. Als ich um sieben Uhr im Seniorenheim eintraf, war die Party bereits in vollem Gange.
    Die Heimleitung hatte es anscheinend doch noch geschafft, einen Ersatz für den ausgefallenen Alleinunterhalter zu beschaffen. Ein hochbetagter Glatzkopf saß am offenen Ende der zu einem Hufeisen aufgestellten Tische und spielte auf einer Heimorgel ein Stück, das bei genauerem Hinhören wie ein Walzer klang. Vier Paare bewegten sich inmitten der Tische im Dreivierteltakt übers Parkett. Einige waren noch sehr beweglich, doch selbst nach dreimaligem Abzählen war unter all den Tänzern nur ein einziger Mann auszumachen.
    Die Tische waren gut besetzt. So ziemlich das ganze Seniorenheim schien versammelt zu sein. Manche hatten ihren Tropf dabei, und ein paar waren im Rollstuhl gekommen. Doch das tat der guten Laune keinen Abbruch. Eine untersetzte Mittfünfzigerin mit Schürze und Gesundheitsschuhen eilte zwischen den Tischen hin und her und schenkte Rotkäppchensekt aus. Auf jedem Tisch stand ein Teller mit belegten Schnittchen.
    »Da ist ja Luzie!«, rief Opa. Er saß am Kopfende des Hufeisens, wo für die Geburtstagskinder eine nette Dekoration in Form eines künstlichen Blumengebindes aufgebaut war. Er winkte mir zu. Ich schlängelte mich an den Tänzern vorbei
    »Hallo, Luzie«, sagte Oma. Sie hatte ihr feinstes Kleid angezogen, elfenbeinfarbene Spitze auf dunkelgrauem Samt, und ihr dünnes weißes Haar war zu neckischen Löckchen gekräuselt.
    Ich gratulierte meinen Großeltern und überreichte ihnen meine Geschenke, die ich auf die Schnelle bei einem Zwischenstopp an einer Tankstelle besorgt hatte.
    Mit neunzig hatten die meisten Menschen in der Regel schon alles, was sie nicht brauchten, weshalb es auf ein paar weitere nutzlose Kleinigkeiten auch nicht mehr ankam. In diesem beruhigenden Wissen hatte ich die erstbesten Gegenstände aus

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