Beiß mich, wenn du dich traust
löschen, sodass es ihn wie ein Biss aus heite-rem Himmel trifft. Aber ich hätte wissen müssen, dass sie sich nicht damit zufriedengeben würden.
Nicht in einer Schule voller Mitarbeiter von Slayer Inc.
Und mit meiner wachsenden Blutgier, dem wachsenden Paar Flügel und der plötzlichen Unfähigkeit zu lügen, werde ich mein Inkognito nicht mehr lange aufrechterhalten können.
»Keine Sorge«, sagt Corbin, der vermutlich den massiven Anflug von Panik von meinem Gesicht abliest, und streichelt meine Hand. »Es wird sich schon alles klären.« Er nimmt meine Hand und führt sie über seine unrasierte Wange, worauf mein Magen schon wieder Purzelbäume schlägt.
»Mir geht es gut, dir geht es gut - das ist doch die Hauptsache.«
Seine Haut ist so warm. So . . . lebendig ... so menschlich . . . »So gut geht es mir eigentlich nicht, um ehrlich zu sein!«, platze ich heraus und meine zitternde Stimme nimmt einen leicht schrillen, hysterischen Unterton an, der mich wie meine Schwester klingen lässt. Ich muss hier weg. Schleunigst. Ich will aufstehen, aber Corbin hält meine Hand fest.
»Ach komm.« Er grinst schelmisch und hält meinen Blick mit seinen blitzenden grünen Augen fest. »Du siehst aber gut aus. Du bist sogar richtig schön. Habe ich dir schon mal gesagt, wie schön du bist?«
Und ob. Kurz bevor ich dich gebissen und halb leergetrunken habe. Und ich werde mich gleich gezwungen sehen, es wieder zu tun, wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt.
Das kann ich natürlich nicht sagen. Und lügen kann ich auch nicht. Also sitze ich hilflos und schweigend da und leide vor mich hin, während ich auf seinen Hals starre. Corbin fasst das als Einladung auf, beugt sich vor, schließt die Augen, öffnet seine Lippen ...
Ich stoße ihn zurück und werfe ihn dabei beinahe von dem Baumstamm. Hoppla. Verflixte Vampirkräfte.
Seine Augen öffnen sich flatternd, gucken beleidigt und verwirrt. »Was ist los?«, fragt er.
»Magst du es nicht, wenn ich dich küsse?«
Sag nein! , schreit alles in mir. Sag ihm, dass du nur mit ihm befreundet sein willst.
»Doch«, sage ich laut. Wenn er gefragt hätte, ob ich von ihm geküsst werden wollte oder ob er mich küssen sollte oder ob ich wünschte , er würde mich nie wieder küssen, hätte ich vielleicht eine Chance gehabt. Aber ob ich es mag, wenn er mich küsst? Verdammt, ja.
Er lächelt träge und beugt sich wieder zu mir. Es knistert spürbar zwischen uns und ich rücke ein Stück ab auf dem Baumstamm. Noch weiter und ich falle herunter.
»Okay, erzähl mir von deinen Eltern«, platze ich heraus, in dem verzweifelten Bemühen, ihn abzulenken. »Die anderen Alphas haben mir erzählt, ein Vampir hätte sie getötet?«
Er stöhnt auf und lehnt sich auf dem Baumstamm zurück. »Toll. Ein echter Erotikkiller.«
Ich ziehe eine Grimasse, als hätte ich das nicht beabsichtigt. »Tut mir leid.«
»Schon gut.« Er fährt sich verlegen mit der Hand durch seine dunklen Haare. »Meine Eltern waren noch ziemlich jung. Sie haben mich bekommen, als sie beide erst achtzehn waren. Natürlich nicht geplant.« Er lächelt ironisch und zuckt die Achseln. »Es war jedenfalls schwer für sie. Mom musste vom College abgehen und am Ende sind sie zusammen zu ihrer Mutter gezogen - meiner Großmutter. Dad hat zwei Jobs gemacht, um uns durchzubringen. Sie mussten also schnell erwach-sen werden. Zu schnell, vielleicht. Wenn sie mal einen Abend freihatten - Grandma hat sich manchmal erboten, auf mich aufzupassen -, dann haben sie . . . na ja, sie haben versucht ihre verlorene Jugendzeit nachzuholen, schätze ich.
Sie fingen an, in diese Gothic-Bars und Fetisch-Clubs zu gehen, auf der Suche nach etwas Spannendem, bei dem sie die schmutzigen Win-deln und das nächtliche Stillen vergessen konn-ten. Und eines Tages entdeckten sie die Blutbars.«
Ich schlucke schwer. Oh Gott, ich ahne schon, worauf das hinausläuft, und es klingt nicht gut.
»Selbstverständlich habe ich damals nichts davon mitbekommen«, fügt Corbin hinzu. »Ich war noch klein und wurde größtenteils von meiner Großmutter aufgezogen, die ganz wunderbar, freundlich und liebevoll war. Ich habe erst bei ihrem Tod vor einigen Jahren erfahren, was wirklich mit meinen Eltern geschehen ist. Bei der Beerdigung hatte ich mich auf dem Dachboden versteckt. Ich konnte all diese heuchlerischen Leute nicht ertragen, die herumstanden und einen auf Trauer machten, während sie sich mit Essen vollstopften. Und so fand ich das Tagebuch
Weitere Kostenlose Bücher