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Beiß mich, wenn du dich traust

Beiß mich, wenn du dich traust

Titel: Beiß mich, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Mancusi
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gegenüberliegenden Ecke ist ein kleines, schmutziges Waschbecken und eine kaputte Toilette zu erkennen, die mit braunem Wasser gefüllt ist. Hier ist wohl ein Horrorfilm Wirklichkeit geworden.
    Mühsam atme ich tief durch. Okay. Ich bin am Leben. Das ist schon mal was. Verdammte Tinkerbell. Wenn ich diese Mistfee jemals wieder in die Hände kriege ...
    Ein tiefes, wohlbekanntes Stöhnen dringt in meine Rachegedanken. Ich springe vom Bett, stürze in den vorderen Teil meiner Zelle und umklammere mit beiden Händen die Gitterstäbe.
    Heftiger Schmerz durchfährt mich bei der Berührung des Metalls - stechend und brennend -, sodass ich schnell wieder loslasse. Sie sind offenbar aus Eisen und das ist ja wie gesagt Gift für Elfenhaut.
    Jareth liegt lang ausgestreckt und mit nacktem Oberkörper in der Zelle nebenan auf dem Boden.
    Qualm steigt von seiner glatten weißen Haut auf, die mit Silberketten umwickelt ist. Die Elfen wollten wohl doppelt sichergehen, dass er seine Kräfte nicht zur Flucht einsetzt. Zum Glück sind sie anscheinend wegen meiner Flügelspanne und meiner Immunität gegen Feenstaub davon ausge-gangen, dass ich eine von ihnen bin. Die Sache mit den Eisenstäben wird es mir allerdings schwer machen zu fliehen.
    »Jareth!«, zische ich, um ihn zu wecken.
    Er wirft den Kopf von einer Seite auf die andere und stöhnt im Schlaf; offensichtlich hat er Schmerzen. Ich nage besorgt an meiner Unter-lippe. Wenn er nicht bald zu Bewusstsein kommt und seine Ketten entfernt, wird das Silber ihn umbringen.
    »Jareth!«, versuche ich es noch einmal, lauter diesmal. »Wach auf!«
    »Hey, wir versuchen hier zu schlafen!«, ruft ein Mann aus der Zelle rechts neben meiner. Ich drehe mich um, um etwas Unfreundliches zu erwidern, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken, als mein Blick auf zwei Personen fällt -
    einen Mann und eine Frau -, die sich in einer Ecke ihrer Zelle unter eine zerlumpte Decke kauern.
    »Mom?«, rufe ich und meine Stimme bricht vor Aufregung und Schock. »Dad?«
    Die beiden sehen auf, bleich vor Schreck. Einen Sekundenbruchteil später stehen sie vor dem Gitter zwischen unseren Zellen, sorgfältig darauf bedacht, die Stäbe nicht zu berühren. Mom streckt die Arme hindurch, nimmt meine Hände und drückt sie so fest, dass ich mich frage, ob sie vorhat, mir die Knochen zu brechen. Aber der Schmerz macht mir nichts aus. Es ist so schön, sie wiederzusehen. Mir war gar nicht klar, wie sehr ich sie vermisst habe. Ich nehme den sanften Rosenduft meiner Mom wahr. Ich weiß nicht, wie sie hier in dieser dreckigen Elfenzelle so gut riechen kann, aber die tut es.
    »Tja, ich würde Achtal nicht gerade als sicher bezeichnen«, berichte ich knapp. »Obendrein haben sie Sunny entführt. Ich musste kommen um sie retten.«
    Mom guckt bestürzt und lässt mutlos die Hände sinken.»Also haben sie Sunny doch in ihre Gewalt bekommen«, sagt sie unglücklich. »Wir waren uns nicht sicher. Man hat uns aus der Wohnung deines Dads entführt und seither sind wir hier unten in dieser Zelle und betteln um eine Audienz beim Premierminister.«
    Ich starre sie schockiert an. Und ich habe über die isolierte Lage von Achtal gejammert. Mom und Dad hatten es um einiges schlechter als wir.
    »Es tut mir so leid«, sage ich. »Ich hatte ja keine Ahnung . . .«
    »Der Premierminister war nicht besonders erfreut darüber, dass wir uns gewehrt haben, als seine Soldaten auftauchten, um euch beide zu holen«, erklärt Dad. »Wir haben nie die Chance bekommen zu verhandeln, wie wir es geplant hatten.«
    Mit Schrecken erinnere ich mich an den Kampf.
    Daran, wie ich Apfelkuchen erdolcht habe und alle danach ausgeflippt sind. »Das ist alles meine Schuld!«, begreife ich und Schuldgefühle bohren sich wie ein scharfer Pflock in mein Herz. »Es ist meine Schuld, dass ihr hier gefangen seid.«
    »Neinnein!«, ruft Mom und schüttelt heftig den Kopf. »Rayne, du darfst dir nicht für eine Sekunde Vorwürfe machen. Wir waren es doch, die überhaupt erst aus dem Elfenland weggelaufen sind. Wir haben euch in diese Lage gebracht. Du hast nur getan, was du für richtig gehalten hast, um deine Familie zu beschützen. Und dafür darfst du dich niemals schämen.«
    Ich weiß nicht, ob ich das so sehen kann, aber ich beschließe, die Sache trotzdem hinter mir zu lassen. Schuldgefühle sind in solchen Situationen meistens nicht gerade hilfreich, das habe ich auf schmerzliche Weise lernen müssen. »Was ist mit Heather?«, frage ich. »Ich dachte, sie

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