Beiss noch einmal mit Gefuehl
Hügel hinaufging, trat ich kräftiger in die Pedale, und nachdem ich die Kuppe erreicht hatte, sauste ich auf der anderen Seite wieder hinunter. Während ich an Bauernhäusern und Feldern vorbeirollte, überlegte ich, was ich mit William und seiner Zombie-Queen machen sollte. Vielleicht konnte ich Dominguez doch noch dazu bringen, sie festzunehmen. Ich war mir sicher, dass Menschenhandel ein Verbrechen war, das nach Bundesrecht geahndet wurde. Und falls ich mich doch irrte, konnte ich immer noch auf sein Angebot zurückgreifen, zwischen mir und den örtlichen Behörden zu vermitteln. Abgesehen davon hatte er immer noch nicht sein Geburtsdiagramm von mir bekommen. Vielleicht konnte ich ihn unter diesem Vorwand kurz vor Parrishs Totenwache in meine Wohnung locken, und dann musste ich nur noch William und Mo dazu bringen, auch zu kommen.
Der Aasgestank wurde glücklicherweise schon bald von dem weitaus angenehmeren Geruch von Herbstlaub-Feuern abgelöst. Die hohen Gräser im Straßengraben raschelten im Wind. Ein verirrter Strandläufer flatterte am Feldrand entlang.
Der alte William wäre sicher zu Parrishs Totenwache gekommen. Wir hatten zusammen schon einiges erlebt, und ich hatte sogar eine Zeit lang befürchtet, William würde unter die Blutspender gehen. Auch eine Goth-Phase hatte er schon gehabt, aber wie bei allen anderen Glaubensrichtungen und Lebensstilen, die er ausprobiert hatte, war seine Leidenschaft nach kurzer Zeit erloschen. Später hatte er mir erklärt, dass er einfach nicht mit den langen Nächten klarkam. William war ein Morgenmensch.
Ein Planwagen kam mir entgegen, der von zwei dunkelbraunen Pferden gezogen wurde, und ich winkte dem Fahrer fröhlich zu. Als er an mir vorbei war, drehte ich mich um, sah ihm nach und wunderte mich einmal mehr darüber, wie anachronistisch das leuchtend orange Dreieck für langsam fahrende Fahrzeuge am Heck des Wagens wirkte.
Ich musste William helfen, wieder zu seinem alten wirren Ich zurückzufinden. Es gab bestimmt einen Zauber, mit dem ich ihn befreien konnte. Vielleicht wusste Izzy ja Rat.
Als ich vor dem Holy Grounds eintraf, tat mir von dem ungewohnten Sattel das Hinterteil weh, und ich brauchte unbedingt etwas Kaltes zu trinken. Die Einladung zu Parrishs Totenwache hing im Fenster. Wir hatten ein gutes Foto von ihm ausgesucht. Es war ein Schnappschuss, den ich im Rahmen einer Wette mit der Digitalkamera einer Freundin gemacht hatte, um zu beweisen, dass man Vampire sehr wohl elektronisch ablichten konnte - trotz des Mythos, dass sie sich nicht auf Film bannen ließen. Ich hatte versucht, Parrish zu erklären, dass Fotos heutzutage nicht mehr unter der Verwendung von Silber entwickelt wurden. Und selbst wenn, so hätte man Vampire trotzdem fotografieren können, weil nicht sie allergisch gegen Silber sind, sondern Werwölfe. Ich muss wohl nicht betonen, dass ich die Wette gewonnen hatte.
Als ich die Tür öffnete, wehte der Wind ein paar Blätter ins Café. Es war nicht viel Betrieb. Nur wenige Kunden saßen bei einem kalten Latte, den sie schon vor Ewigkeiten bestellt hatten, an den Tischen und tippten auf ihren Laptops herum. Izzy stand hinter der Theke und las Zeitung. Sie sah auf, als ich hereinkam, und stürzte sofort auf mich zu.
„Sebastian hat mir das von deinem Freund erzählt“, sagte sie und umarmte mich. „Wie geht es dir?“
Izzy hatte Parrish nie kennengelernt. Sie wusste nicht, dass er nicht richtig tot war. „Keine Ahnung“, entgegnete ich. Parrishs „Tod“ hatte mich erschüttert, weil durch ihn die unverarbeitete Trauer über den Verlust meines Zirkels in mir hochgekommen war. „Ich muss nachher seine Leiche abholen.“
Izzy schob mich auf Armeslänge von sich und sah mich erstaunt an. „Wieso musst du seine Leiche abholen? Erledigt das nicht das Bestattungsinstitut?“
„Er darf nicht einbalsamiert werden“, sagte ich. Und weil es keinen Grund gab, es ihr zu verschweigen, fügte ich hinzu: „Er ist ein Vampir.“
„Aber er ist tot, oder?“
„Eigentlich befindet er sich in einer Art Tiefschlaf, aus dem er irgendwann wieder erwacht.“
„Er hält also gewissermaßen Winterschlaf“, bemerkte Izzy grinsend.
„Ja“, entgegnete ich und lächelte. „Ganz genau.“
„Aber du tust so, als wäre er wirklich gestorben. Totenwache, Beerdigung und so weiter. Ich habe vorhin den Nachruf gelesen“, sagte sie und wies mit dem Daumen auf die Theke, wo ihre Zeitung lag.
„Er hat für mich die Schuld auf sich
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