Beiss noch einmal mit Gefuehl
einen Kuss auf die Stirn.
Als er sich zum Gehen wandte, packte ich ihn am Kragen und zog ihn an mich. „Komm wieder, bevor du dich in die Falle haust“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Er nickte und ging.
Ich schloss die Tür hinter ihm. Als ich mich umdrehte, stand Sebastian in der Küchentür. Sein finsterer Blick legte den Verdacht nahe, dass er unsere Abschiedsszene beobachtet hatte.
„Er ist weg“, stellte er grimmig fest.
„Äh, ja. Es ist besser so, meinst du nicht?“
Sebastian nickte langsam. „Verstehe.“
Ich verstand rein gar nichts und wartete darauf, dass er fortfuhr. Weil seine Wangenmuskeln zuckten, wusste ich, dass noch etwas kommen musste.
„Du hast nicht vor, mich jemals richtig einzuweihen, oder?“, fragte Sebastian. Sein Ton war immer noch kalt und gelassen, und das gefiel mir überhaupt nicht.
„In was?“
„Du kannst ja nicht mal mit ihm reden, wenn ich dabei bin, und da soll ich dir glauben, dass du keine heimliche Affäre mit ihm hast.“
„Habe ich auch nicht!“, rief ich so laut, dass es wie ein Schuldeingeständnis klingen musste. Ich hasste mich dafür, dass ich so schuldbewusst und defensiv reagierte, vor allem, weil Sebastian ganz ruhig und beherrscht blieb.
„Du streitest also ab, dass du immer noch in Parrish verliebt bist?“
Ich hätte nicht zögern dürfen, doch ich hielt unwillkürlich inne. Die Sache war die: Ich wusste gar nicht, ob ich Parrish jemals hundertprozentig geliebt hatte. Wenn ich darüber nachdachte, wie selbstlos er mir stets zu Hilfe eilte, hatte ich das Gefühl, dass ich ihn viel mehr hätte lieben müssen, als es der Fall gewesen war. Sonderbarerweise wollte ich Parrish irgendwie lieben, weil mir verdammt viel an ihm gefiel, aber wie sollte ich Sebastian das alles erklären, wenn ich es ja selbst kaum begriff? Doch das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Mit der zehnsekündigen Verzögerung hatte ich mich verdächtig gemacht, und das wusste ich. Also änderte ich rasch meine Taktik. „Ich bin mit dir zusammen, nicht mit ihm.“
„Momentan, ja.“
Eine ominöse Aussage - umso mehr, da ich immer noch die Einzige war, die mit erhobener Stimme sprach. „Ich weiß, ich hätte es dir sofort sagen müssen, als Parrish mich um Hilfe bat, aber große Göttin, Sebastian! Du wolltest ihn umbringen! Ich dachte, du schlägst dich noch mal mit ihm, wenn du erfährst, dass er hier ist.“
„Hast du im Ernst gedacht, ich bekäme nichts von den anderen Vampiren mit, die sich hier herumtreiben? In einem Nest wie Madison?“
„Du wusstest es also?“
„Ich wusste, dass er immer noch in der Stadt ist. Er steht schließlich in einem gewissen Ruf.“
Das konnte man laut sagen! Neuerdings verdiente Parrish seinen Lebensunterhalt mit einer höchst zweifelhaften Tätigkeit: Er verkaufte seine Bisse. Anscheinend - und mehr wollte ich darüber gar nicht wissen - gab es eine Menge Goth-Freaks, die so sehr danach lechzten, einmal von einem echten Vampir gebissen zu werden, dass sie bereit waren, nParrish unglaublich viel Geld dafür zu bezahlen. Die gute Nachricht war, dass Parrish jetzt nicht mehr schnorren musste; die schlechte war, dass er das vampirische Pendant zu einem Gigolo darstellte.
Parrish beteuerte immer wieder, dass es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelte. Er fand es selbst extrem geschmacklos - Achtung: Wortspiel! - und sah sich in erster Linie immer noch als Meisterdieb. Er hatte seinen Lebensunterhalt als Straßenräuber verdient, als es noch Postkutschen und königliche Landstraßen gegeben hatte. Inzwischen raubte er Banken aus, aber der Schlüssel zum Erfolg war, wie er mir immer erklärte, es nicht zu oft zu tun. Und so betrieb er zur Überbrückung „Bluthurerei“, wie er es nannte.
Das erschien mir äußerst unappetitlich und gefährlich; doch wenn ich Parrish darauf ansprach, erwiderte er nur schulterzuckend, dass er sich lediglich für etwas bezahlen ließ, das er ohnehin tun musste.
„Aber das ist jetzt unwichtig“, fuhr Sebastian fort. „Es überrascht mich gar nicht so sehr, dass du noch mit ihm zu tun hast. Und es macht mir nicht einmal besonders zu schaffen, dass er dir nach wie vor etwas bedeutet. Aber was mich wirklich getroffen hat, ist, dass du mich belogen hast. Du hast mir monatelang verheimlicht, dass er hier ist.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich hundeelend.
Sebastian nickte nur, als ich schwieg. „Und selbst das hätte ich vielleicht noch verwunden, doch dann komme
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