Beiss noch einmal mit Gefuehl
konnte ich noch nie etwas anfangen, was wirklich tragisch ist. Ich bin dazu verdammt, mich bis in alle Ewigkeit mit nur einem Geschlecht begnügen zu müssen.“
„Hast du es mal probiert?“
„Probiert? Was soll das heißen? Sicher, es gab im Lauf der Jahre einige großartige Männer in meinem Bekanntenkreis, die gewisse Absichten durchblicken ließen, doch ... Na ja, es hat einfach nicht funktioniert.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen kleinen Schmollmund. „Ich will nicht darüber reden.“
Ich musste lachen. Ich konnte mir ganz gut vorstellen, was er damit meinte, dass es nicht funktioniert hatte. Ich gab ihm einen Klaps auf den Oberschenkel. „Ach, mein lieber Schatz.“
„Sei bloß still!“, fuhr er mich mit gespielter Entrüstung an. „Ich nehme an, Parrish ist auf beiden Seiten als Herzensbrecher aktiv?“
„Angeblich“, entgegnete ich, und wir lachten beide. Dann verfielen wir wieder in Schweigen.
Ich kuschelte mich an Sebastian, und er legte einen Arm um mich. Als er seine Nase an mein Ohr drückte und seufzend Luft holte, fuhr er plötzlich hoch, als hätte ich ihn geschlagen. „Deiner Schulter geht es besser“, sagte er. „Oh, Garnet, du hast von seinem Blut getrunken, nicht wahr?“
Mist, und es war gerade so nett gewesen.
„Ich hasse ihn“, knurrte Sebastian. „Es ist mir unerträglich, dass sein Blut dich heilen kann und meins Gift für dich ist.“
„Zuerst habe ich Nein gesagt, als er es vorschlug. Aber ich hatte starke Schmerzen, Sebastian. Ich meine, am Anfang ging es noch, doch dann wurde es bei der kleinsten falschen Bewegung ...“ Ich hörte auf, Entschuldigungen zu erfinden. „Letztlich war es die einfachste Lösung. Ich habe nicht daran gedacht, wie es dir dabei geht. Es tut mir leid. Entschuldige bitte.“
Sebastians Wangenmuskeln zuckten. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass der Kerl sich die nächsten Monate tot stellt.“
Dennoch hatte er angeboten, ihn gleich nebenan zu begraben. Zuerst hatte ich gedacht, er täte es aus Gefälligkeit, aber nun war ich nicht mehr so sicher. „Du willst Parrish doch wohl nicht pfählen, sobald er nebenan auf dem Friedhof liegt, oder?“
„Das hatte ich eigentlich nicht vor, aber ich wusste ja auch nicht, dass ihr beiden blutige Küsse ausgetauscht habt … Nein, nein, ihm einen Pflock ins Herz zu jagen, wäre viel zu nett.“ Sebastian schaute stirnrunzelnd in seine Teetasse, als wünschte er, dass etwas Stärkeres darin wäre. „Und wenn ich seine Leiche in die Sonne schleppe und Freudentänze aufführe, während er wie eine Rosine verschrumpelt, dann würdest du mich hassen. Der Preis ist mir zu hoch, wie befriedigend es auch für mich wäre, ihn zu töten. Er ist es nicht wert, dass ich dich verliere.“
„Ist das dein Ernst?“
Sebastian seufzte. „Mein Leben wäre viel einfacher, wenn es nicht so wäre.“
Ich gab ihm einen Kuss. Es sollte eigentlich nur ein kleines Dankeschön-Küsschen werden, aber nachdem ich ihn einmal geküsst hatte, bekam ich gleich Lust auf mehr. Nach einer langen, ausgedehnten Vereinigung unserer Lippen und Zungen löste ich mich von ihm und sagte: „Ich liebe dich, Sebastian von Traum.“
„Ich liebe dich, Garnet Lacey“, erwiderte er. „Komm, gehen wir ins Bett!“
Nicht, dass ich nicht in Stimmung gewesen wäre, denn eigentlich freute ich mich auf weitere Vereinigungsspiele, doch nach allem, was sich mit Parrish ereignet hatte, hatte ich das Gefühl, diese Nacht noch für ihn zu brauchen.
Sebastian bemerkte mein Zögern und verstand. „Lass dir Zeit“, sagte er. „Falls ich schon schlafe, wenn du raufkommst, nimm es nicht persönlich.“
Ich lächelte. „Ganz bestimmt nicht. Oh, und danke!“
Er zuckte mit den Schultern. „Dafür bist du mir etwas schuldig.“
„Und was?“
„Das wirst du sehen, wenn ich es einfordere.“ Er grinste von einem Ohr zum anderen. Dann unterdrückte er ein Gähnen. „Wir sehen uns morgen früh.“
„Ja“, sagte ich, während mein Blick zu dem Album mit den Nachrufen wanderte, das vor mir auf dem Tisch lag. „Es tut mir leid. Ich weiß, dass er nicht tot ist, aber ich bin trotzdem traurig.“
Sebastian blieb auf der Treppe stehen und beugte sich über das Geländer. „Er ist nicht mehr da, nicht wahr?“
Ich nickte, traute mich jedoch nicht, etwas zu sagen, weil ich einen dicken Kloß im Hals hatte.
„Dann musst du auch um ihn trauern.“
Ich richtete mir in der Küche ein Sandwich mit
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