Beißen will gelernt sein (German Edition)

auf. »Habe ich das richtig verstanden? Sie ist eine Auserwählte und sie war deine, bis du mir begegnet bist?«
    Noëlle straffte die Schultern und gab sich alle Mühe, ein beleidigtes Gesicht zu machen, doch dann seufzte sie und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ach, ich gebe auf! Ich wäre wirklich furchtbar gern sauer auf euch, aber jetzt ist mir endlich klar, was Sebastian die ganze Zeit gemeint hat. Er und ich, wir sind einfach nicht kompatibel, aber ihr beide schon.«
    »Und? Was sagst du dazu?«, fragte ich Sebastian.
    Er schien sich etwas unbehaglich zu fühlen. »Besser kann man es in einem Satz nicht zusammenfassen.«
    »Das soll also heißen, eine Auserwählte ist gar nichts Besonderes? Sie kann von einem Dunklen an den nächsten weitergereicht werden?« Ich bohrte meinen Zeigefinger in seine Brust. Er hielt meine Hand fest, und als er Noëlle über meine Schulter hinweg einen leidenden Blick zuwarf, hätte ich am liebsten noch viel fester gebohrt.
    Noëlle entfuhr ein leises Kichern.
    »Du übertreibst zwar maßlos, aber in diesem Fall ist es nicht ganz unzutreffend. Noëlle ist zur Auserwählten bestimmt, aber sie muss erst noch den Dunklen finden, dessen Seele sie retten … «
    Ich schlug ihn auf den Arm. Fest. »Du hast mir gesagt, die Auserwählte eines Dunklen sei die einzige Frau auf der Welt, die ihn retten kann! Dass es also nur eine Frau in der gesamten Zeitgeschichte gibt, die sich mit Herz und Seele an dich binden kann, die dich retten und glücklich und vollständig machen kann. Und jetzt sagst du, dass man uns praktisch durchprobieren kann? Ich dachte, ich wäre die Einzige für dich!«
    Noëlle hielt sich die Hand vor den Mund und hustete, aber ich wusste ganz genau, dass sie nur ihr Lachen vor mir verbergen wollte. Als Sebastian Anstalten machte, mich in seine Arme zu schließen, hielt ich ihn mit einem bitterbösen Blick auf Abstand.
    »Du bist die Einzige für mich, aber da du es schon zur Sprache gebracht hast, möchte ich darauf hinweisen, dass du vor mir fünf Ehemänner hattest. Fünf! Hast du sie geliebt?«
    »Ich … sie … Ich war einsam … « Ich verstummte hilflos. Sebastian hatte recht, verdammt, und er wusste es.
    »Siehst du? Du hast fünf Ehemänner gehabt, die du alle geliebt hast, aber mich liebst du mehr als alles andere auf der Welt.«
    Ich knurrte leise vor mich hin, dass ich das sehr schnell ändern konnte, wenn ich wollte.
    »Dazu kommt, dass ich sie nicht liebe«, sagte Sebastian und zeigte auf Noëlle. »Ich habe sie nie geliebt.«
    »Du weißt wirklich, wie man einer Frau das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein«, bemerkte Noëlle und verzog den Mund.
    Sebastian lächelte sie entschuldigend an. »Sei mir nicht böse.«
    »Ach was!« Sie seufzte noch einmal, dann stand sie auf und schenkte uns ein fröhliches Lächeln, das etwas matter ausfiel als gewohnt. »Ich bekomme ständig von Männern zu hören, dass sie mich nicht lieben. Scheint ein wiederkehrendes Thema in meinem Leben zu sein. Na schön, dann gebe ich euch eben meinen Segen – nicht dass ihr darum gebeten hättet. Ich bin immer noch etwas verwirrt wegen dieser ganzen Auserwähltengeschichte, aber es ist nicht zu übersehen, wie sehr ihr zwei euch liebt. Aber ich habe beschlossen, euch beim Wort zu nehmen. Seht zu, dass ihr meinen Dunklen findet, und zwar zügig!«
    »Mit dem größten Vergnügen«, sagte ich, und Sebastian packte mich am Handgelenk und zog mich zur Tür. »Wir werden nicht ruhen, bis wir den Richtigen für dich gefunden haben, einen liebevollen, klugen Mann, der deine Zuneigung verdient hat, und nicht so ein Scheusal, wie ich mir offenbar eins angelacht habe.«
    Sebastian blieb in der Tür stehen, sah mich ungeduldig an und ließ ein tiefes Knurren vernehmen.
    Ich bekam weiche Knie. Ich kann dir einfach nicht widerstehen, wenn du das machst, sagte ich, als er mich in den Flur zog.
    Das ist der Plan, mein süßer kleiner Zombie, entgegnete er, und dann küssten wir uns so heiß und inniglich, dass mir beinahe die Schuhe wegschmolzen. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass es jedes Mal klappt.
    Hinter ihm tauchte Sally auf, lächelte und verschwand wieder in der Wohnung. »Noëlle, ma chère! Du brauchst jetzt einen supercoolen Kontrollgeist! Heureusement bin ich verfügbar. Wollen wir darüber parler, comment ich dir helfen kann, eine très, très schöne, unwiderstehliche Wächterin zu werden?«

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel Bring out your dead
    in der