Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
schon.«
»Touristen kriegen in der Regel auch mehr von einer Gegend mit als die Leute, die da wohnen«, wirft Robert ein. »Wer von außen kommt, ist meistens neugieriger und sperrt Augen und Ohren weiter auf.«
»Neugierig bin ich auch«, protestiert Gudrun.
Innerhalb deines Systems , denke ich und bekomme prompt den Beweis geliefert. Stolz verkündet Gudrun eine Neuigkeit von der Kehr. Nachbar Martin habe kürzlich vom Land Rheinland-Pfalz das einstige Verbotsgelände am Wolfgangsee erstanden.
Entgeistert frage ich nach, was der junge Bauer denn mit einem riesigen Grundstück anfangen wolle, auf dem vor dem Ersten Weltkrieg eine Munitionsfabrik stand, die 1920 in die Luft geflogen ist und unter der seitdem eine Zeitbombe tickt, wie die Zeitungen schreiben. Weil es zu teuer war, das dreizehn Hektar große Gelände ordentlich zu entmunitionieren, hat man vor einigen Jahren Sprengstoff und Giftgasgranaten aus dem Ersten Weltkrieg mit Maschendrahtgeflecht, Lava und Erde abgedeckelt, aber dennoch darf man darauf weder etwas anbauen noch Kühe weiden lassen.
Gudruns Verkündigung, Martin werde dort Sonnenkollektoren aufstellen, regt Robert zu einem Vortrag über die umweltbewusste Geschäftstüchtigkeit der hiesigen Bauern an. Aus der Not des extrem rauen Klimas und der historischen Altlasten verstünden sie, mit Windparks und Solarfeldern eine energiepolitische Tugend zu machen. Ich werfe ein, dass dies meine Kollegen aus der Gaststätten- und Hotelbranche ein paar Kilometer weiter östlich deutlich anders sähen. Da hat sich bereits ein riesiger Protest gegen die zunehmende Verspargelung durch Windräder in der schönen Eifellandschaft formiert.
»Die in der richtigen Vulkaneifel haben ja auch richtigen Tourismus. Zu uns kommen doch keine Fremden …« Gudrun bricht erschrocken ab. Mit welch fürchterlichen Folgen Fremde zu uns kommen können, haben wir ja gerade erst erlebt. Sie holt hörbar tief Luft, um rasch das Thema zu wechseln. »Ist es dir recht, wenn wir erst zum Flohmarkt in die Mehrzweckhalle nach Prüm fahren? Wo wir heute doch noch frei haben? Robert braucht noch ein paar hübsche alte Sachen fürs Haus.«
Die könnte er auch von mir haben. Mein Speicher steckt noch voller ererbtem Krempel, den Robert trotz mehrfachen Angebots nicht gesichtet hat. Aber den Reiz des Flohmarkts macht in unserer Gegend weniger das Stöbern nach alten Sachen aus als vielmehr das Sehen und Gesehenwerden, das Ausschauhalten nach Bekannten für ein Schwätzchen – nach dem Kirchgang ist die Flohmarktkultur hier in der Westeifel so ziemlich das einzige Freizeitangebot am Sonntag.
Das ich heute bestimmt nicht annehmen werde. Nachdem ich gestern erfolgreich die Bewirtung der Fackelwanderer ausgesourct habe, verspüre ich jetzt nicht die geringste Lust, mich durch eine weitere Massenveranstaltung zu wühlen. Ich bitte die beiden, den kleinen Umweg zu machen und mich auf der Kehr abzusetzen.
Aber dazu kommt es nicht.
»Halt an!«, rufe ich Robert in Atzerath zu. »Fahrt weiter zum Flohmarkt. Marcel wird mich später nach Hause bringen.«
Ich deute auf den Polizeijeep vor dem Pfarrhaus. »Wir haben noch einiges zu bereden.«
»Wurde aber auch höchste Zeit.« Gudrun faltet die Hände.
»Herr Langer ist auch grad gekommen, Frau Klein«, begrüßt mich Christine Lambert, öffnet die Tür weit und geht mir ins englische Wohnzimmer voran. Schön, dann habe ich also noch nicht allzu viel verpasst. Marcel springt aus seinem Klubsessel und funkelt mich an.
»Es wäre schön, wenn du mich nachher nach Hause fahren würdest«, sage ich zur Begrüßung. »Gudrun hat heute leider was anderes vor.«
»Kaffee?«, fragt Christine Lambert.
»Das wäre wunderbar.«
»Den kannst du draußen vor der Tür trinken«, faucht mich Marcel an, als die Pastorenschwester außer Hörweite ist. »Du glaubst doch nicht etwa, dass du bei einer Zeugenbefragung dabei sein kannst? Das ist total regelwidrig.«
»Was gestern richtig war, kann heute nicht falsch sein.« Ich lasse mich aufs Sofa plumpsen. »Du wirst mich schon raustragen müssen. Außerdem willst du ja hören, was ich Claire noch aus der Nase gezogen habe.«
»Schon wieder ein Deal?«
»Wir könnten ja einen entsprechenden Grundsatzvertrag abfassen.« Ich beuge mich zum Couchtisch vor und greife zu den beiden Fotos auf der Mahagoniplatte. »Zeugenbefragung? Weiß Christine Lambert denn plötzlich mehr über die Frau? Ist sie etwa deine heiße Spur?«
Ich mustere eines der Fotos, auf
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