Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Herr Tillmanns ab. »Ich schaue mir die Schafe gleich jetzt an und danach zeigen Sie mir den Weg zum Hotel, einverstanden?«
»Da komme ich aber mit«, sagt Gudrun. »Das bin ich deinem Vater schuldig.«
Als ob Bianca nicht eine fast dreißigjährige Frau, sondern ein pubertierender Teenager wäre, der sich übers Internet eine fragwürdige Gestalt ins Haus holt. Andererseits befinden wir uns immer noch in der Ausnahmesituation, hinter dem Besuch eines jeden Fremden zunächst einmal undurchsichtige Absichten wittern zu müssen.
Mit sehr entschlossener Miene wendet sich Gudrun an Herrn Tillmanns. »Ich würde nur zu gern wissen: Was will ein Protestant vom heiligen Jakob?«
»Der Weg ist das Ziel, junge Frau«, antwortet der freikirchliche Pfarrer. »Nicht der Mann.«
Für Gudrun eine sehr verwirrende Antwort. Seitdem ich sie kenne, ist ihr Ziel immer nur der Mann gewesen; seit einigen Jahren eben David. Prompt verweigert sie sich jeglichem Nachdenken über die hilfreiche Aussage und erklärt: »Das sehe ich aber ganz anders. Und ich gehe auf jeden Fall mit.«
»Auf den Jakobsweg?«, frage ich.
»Quatsch, zu Bianca. Der heilige Jakob wird sich Fürbitten von Protestanten verbeten.«
»Und wer kümmert sich um das Essen?«, frage ich.
Gudrun deutet zur Küche. »Ich schiebe gleich die Lammkeulen in den Ofen. Das mit dem Niedrigtemperaturgaren ist schon toll für ein Restaurant wie unseres. Da kommt es auf eine Stunde mehr oder weniger nicht an, und das Fleisch bleibt trotzdem butterweich.«
»Ich werde das aber trotzdem nicht anrühren!«, tönt Bianca wieder.
»Wahrscheinlich auch sonst keiner«, sage ich. »Wer soll heute Abend schon kommen? Bei dem Wetter.«
»Das haben wir am Donnerstag auch gedacht«, sagt Gudrun finster. »Komm, Bianca, Herr Tillmanns hat aufgegessen, wir gehen jetzt.«
Bianca lehnt ihre Begleitung mit ungewöhnlicher Vehemenz ab. Als fürchte sie, Gudrun würde im Stall gleich höchstpersönlich das Schlachtermesser wetzen.
»Es sind meine Schafe«, sagt sie. »Ich muss lernen, mit ihnen umzugehen.«
Um einundzwanzig Uhr nehmen wir die beiden Lammkeulen aus dem Ofen. Niemand ist gekommen. Draußen schneit es unerbittlich weiter.
»Was machen wir jetzt damit?«, fragt Gudrun, »Lammbraten kalt schmeckt scheußlich, da kannst du noch so viel Firlefanz drumrum tun.«
»Basteln wir schottischen Eintopf draus«, sage ich. »Passt doch zum Gestürzten Macbeth. Beides hält sich.«
Jetzt wäre der Augenblick gekommen, ihr endlich die Wahrheit über den Anschlag am Samstag und die schottische Komponente in unserem Mordfall zu erzählen. Irgendwann muss sie es schließlich erfahren. Während ich überlege, wie ich jeden Hinweis auf David aus der Geschichte herauszensiere, klingelt das Telefon.
»Wird Marcel sein«, sage ich. »Der wollte heute Abend auf jeden Fall noch kommen.«
Es ist aber nur Bianca, die wissen will, ob wir ihre Hilfe doch noch benötigen. Ich empfehle ihr, sich gemütlich einzukuscheln, da wir das Restaurant gleich dichtmachen würden.
»Herr Tillmanns wird jetzt doch bei ihr übernachten«, sage ich zu Gudrun, nachdem ich aufgelegt habe. »Er gibt ihr Schafhaltungsunterricht, und außerdem fühlt sie sich sicherer mit einem Mann im Haus.«
»Mit einem Heiden. Dieses Kind kann man wirklich nicht allein lassen. Ich geh da jetzt auf der Stelle rüber!«
»Nicht in Sandalen.«
»Ich bring ihnen was zu essen. Wetten, dass sie Lamm doch anrührt, wenn sie Hunger kriegt?«
»Vergiss Nachthemd und Zahnbürste nicht«, rufe ich ihr hinterher, als sie in ihrem Zimmer verschwindet.
Gudrun wird nie und nimmer zulassen, dass Bianca mit einem hergelaufenen freikirchlichen Pastor in ihrem Haus die Nacht allein verbringt. Protestanten traut man in der Eifel nichts und alles zu.
Wo steckt Marcel? Ich habe ihn schon mehrmals angerufen, erreiche aber nur die Mailbox. Meine Simse bleiben unbeantwortet. Langsam werde ich unruhig. Ich rufe in seiner Dienststelle an.
Der Kollege hat Marcel seit dem Morgen nicht mehr gesehen, will sich aber bei den anderen umhören.
»Mach dir keine Sorgen, Katja, Marcel ist wahrscheinlich irgendeiner Sache auf der Spur und hat die Zeit darüber vergessen. Du weißt doch, wie er tickt, wenn er ganz nah an was dran ist.«
Genau. Deswegen mache ich mir ja Sorgen.
»Aber warum geht er dann nicht ans Handy?«
»Vielleicht ist der Akku leer.«
Oder es ist ihm wieder aus der Tasche gefallen.
Der Kollege verspricht, sich bei mir zu melden, sobald
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