Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
diese Kräfte kontrolliert einzusetzen«, doziert David, solche Dinge lehre Barbara.
»Und setzt sie ein, um ihre Leute gefügig zu machen«, sage ich. »Zieht ihnen Kraft ab, um ihr persönliches Machtbedürfnis zu befriedigen. Macht sie klein, damit sie selbst groß sein kann. Lissi und Nina wollten Mrs Gordon also nicht mehr als Kanonenfutter für ihr Ego dienen. Konnten sie wirklich so einfach gehen?«
»Die Tür nach außen steht immer offen«, flüstert David. »Die Tür zum Tod.«
Im Auftrag von Barbara überreichte er den beiden Frauen einen dicken versiegelten Umschlag und gab jeder hundert Euro mit.
»Immerhin. Man konnte raus und kriegte Wegegeld«, bemerkt Hein. »Soweit ich gehört habe, sind Sektenführer sonst nicht so großzügig, sondern verfolgen und bedrohen ihre Aussteiger.«
Ganz so großzügig sei das nun auch nicht gewesen, wiegelt David ab. Die beiden Frauen hatten einst ihr gesamtes Vermögen in die Sippe eingebracht. In der Welt der künftigen Unmenschen sollte es kein Eigentum mehr geben.
»Was war in den Umschlägen?«, frage ich.
»Ihre Pässe und andere Papiere, glaube ich.«
Mit einem Knall setzt Hein seine Kaffeetasse ab. »Das Zyankali! Das war da drin«, keucht er. » Die Tür zum Tod steht offen . Diese Barbara wollte, dass sich die Frauen im normalen Leben nicht mehr zurechtfinden. Und sich umbringen.«
»The easy way out« , flüstert David betroffen.
»Könnte gut sein«, sage ich nachdenklich. »Vielleicht hat sie auch Angst gehabt, dass die beiden Geheimnisse verraten. Aber damit wissen wir immer noch nicht, wie die Fingerabdrücke von Jean-Marie Lambert in das Haus gekommen sind. Er muss da mitgemischt haben. Vielleicht war er Barbaras verlängerter Arm? Erledigte die Schmutzarbeit draußen für sie und hat die Frauen aufgefordert, das Zyankali zu nehmen. Um ihrem Leiden an der Welt ein Ende zu setzen?«
David kratzt sich am Kopf.
»Als ich gefragt habe, wo sie hingehen wollen, hat Lissi gesagt, Jean-Marie will ihnen helfen. Der Mann war zwar nicht mehr im Haus, hat es aber irgendwie geschafft, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.«
»Na also!«, trumpfe ich auf. »Er hat ihnen in den Tod geholfen.«
»Sterbehilfe?«, fragt Jupp heiser. »Wie damals bei …«
»Nein!«, unterbreche ich. Jetzt bloß nicht sentimental werden. »Das können wir jetzt nicht klären. Weiter im Text! Was war das für ein Festessen, für das du die Brownies gemacht hast, David?«
Vor zwei Wochen hatte Barbara David in ein intimes Gespräch verwickelt und war ihm dabei so nah gekommen wie noch nie zuvor. David sah sich schon kurz vor dem Ziel seiner Wünsche. Die Frau erklärte, in Kürze mit der Sippe die Eifel verlassen und in die USA übersiedeln zu wollen. Es fehle nur noch die geeignete Immobilie. Sie bekam es hin, dass David vorschlug, alle zunächst einmal in Texas im Haus seiner Mutter unterzubringen.
»Da wird sich Mathilde aber gefreut haben«, sage ich.
»Sie weiß nichts davon«, entgegnet er unbehaglich.
Natürlich. Seine Mutter ist steinalt. Bei unserem letzten Telefonat vor zwei Wochen hat sie durchblicken lassen, nach Ohio in ein Seniorenheim ziehen zu wollen. Da sei sie wenigstens ihrem Enkel nahe, wo sie doch von ihrem Sohn so lange nichts gehört hat. David verteidigt sich: Weder von seiner Mutter noch von seinem Sohn habe er sich Vorwürfe wegen Gudrun machen lassen wollen. Irgendwann hätte er sich bei denen schon gemeldet.
»Feigling!«, tönt Jupp aus voller Brust. »Deine Mutter hätte tot sein können!«
»Wann sollte die Reise denn losgehen?«, frage ich.
»Heute Mittag. Am Freitag haben wir die Flugtickets in Wemperhardt abgeholt.«
»Und wieso bist du dann noch hier?«
»Weil Barbara seit Samstag verschwunden ist.«
»Wie, verschwunden?«
Das Herz klopft mir bis zum Hals. Barbara ist nicht der einzige Mensch, der verschwunden ist.
»Sie hat am Samstagnachmittag den VW-Bus genommen, ist weggefahren und nicht zurückgekommen.«
Wenn Marcel sie aufgetrieben und in Gewahrsam genommen hat, würde er doch seine Dienststelle informieren! Und mich auch. Es sei denn, die Frau hat ihn daran gehindert. Ich versuche, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.
Marcel trägt eine Waffe bei sich. Er weiß, wie gefährlich Barbara Gordon ist. Und bittet mich ständig, meinen Pakt mit der Voreiligkeit nicht zu verlängern. Es wird wohl eher so sein, dass er die Frau in die Enge getrieben hat und jetzt, wie ein Luchs an der Höckerlinie, darauf wartet, dass sich seine
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