Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Vorhängeschloss.
»Vorsicht, Glas«, sagt Marcel, als er mir beim Aufrichten hilft. Er meint nicht mich, sondern die unzähligen Scherben, mit denen der Kellerboden übersät ist.
Mein Rücken lehnt jetzt an der Tiefkühltruhe. Marcel setzt sich neben mich auf den Boden und legt mir einen Arm um die Schulter.
»Habe ich dir wehgetan, mein Mädchen?« Er nickt zu einer Rotweinflasche, die über den Fußboden gerollt und an einem Scherbenhaufen zum Stillstand gekommen ist. »Fast hätte ich dir die auch noch übergebraten!«
Da habe ich ja noch mal Glück gehabt.
Ich schließe kurz die Augen und taste mich dann ab. Zum Glück bin ich gut gepolstert. Nichts scheint gebrochen zu sein. Mit blauen Flecken kann ich leben.
»Barbara Gordon«, sage ich, tief ausatmend. »Hier also hat sie dich eingesperrt!«
»Mais, nee! Nicht Barbara Gordon. Christine Lambert. Und Claire Maraite. Die waren das.«
»Was?«
»Wir müssen Barbara Gordon finden. Sehr schnell, sonst stirbt sie!«
Was redet er da für einen Unsinn? Barbara ist doch die Unsterbliche. Claire und Christine haben mit der Sekte gar nichts zu tun. Es gibt nur eine Hexe, keine drei wie bei Macbeth.
Aber woher soll Marcel das wissen? Er hat ja die ganze Zeit in seinem Verlies gesteckt.
»Christine und Claire?«, frage ich verstört. »Warum? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»En tee, das tut es. Einen ganz bösen Sinn. Erzähl ich dir später. Wir müssen direkt los. Ist dein Wagen hier? Kannst du aufstehen?«
Ich schüttele den Kopf.
»Sitzen bleiben«, murmele ich. »Und du musst deinen Leuten Bescheid geben.«
»Kein Handy«, sagt er. Ich will ihm meins reichen, aber er ist aufgestanden und tappt durch die Glasscherben vorsichtig zur Pistole hin.
»Meine Dienstwaffe. Gott sei Dank.«
Ich tippe die Nummer seiner Dienststelle in mein Handy, aber im Keller gibt es kein Netz. Mühsam rappele ich mich auf. Marcel will mich nicht auf allen vieren die Kellertreppe raufkrauchen lassen.
»Versuch zuerst mal aufzustehen. Ich helfe dir.«
»Warum?«, hake ich noch mal nach, als wir uns gemeinsam daranmachen, meine zwei Zentner in die Senkrechte zu bringen. »Warum sollte Babette sterben?«
»Für die anderen zu retten«, bringt Marcel keuchend hervor. »Himmel, bist du schwer! Du solltest vielleicht doch mal ein bisschen abholen. Die Leute in der Sekte …«
»Wir haben sie gefunden, und sie sind gerettet«, kläre ich ihn auf.
»Wie, gerettet?«, kommt es gedämpft von irgendwo unter meinem linken Oberarm. »Vom Glauben abgefallen?«
»Das weiß ich nicht, nur dass sie jetzt alle im Krankenhaus sind.«
»Reicht nicht«, stöhnt er, als er mir die erste Stufe hinaufhilft. »Frau Lambert sagt, die werden erst bekehrt, wenn sie selbst sehen, dass Babette verhungert ist. Dass sie ihnen was vorgelogen hat. Dass sie immer noch einen Stoffwechsel hatte und essen musste, um leben zu bleiben.«
Ich bleibe erschrocken stehen.
»Weiter!«, fordert er mich auf. »Nächste Stufe. Wir schaffen das!«
Ich rühre mich nicht vom Fleck.
»Nur zusammen«, sage ich und lehne mich gegen die Wand. »Habe ich das richtig verstanden? Christine und Claire haben Barbara Gordon in ihrer Gewalt und wollen sie verhungern lassen, damit die Sippe erlöst wird?«
» Sippe . Genau das sagte Babette auch.«
»Du hast mit ihr gesprochen?«
»Gestern. Aber nur ein bisschen. Heute war sie schon zu schwach dafür. Die Frauen haben sie vorhin weggebracht, Katja, wir müssen sie finden!«
»Und wo sollen wir suchen?«
»Irgendwo im Wald bei der Kehr. So viel habe ich mitbekommen. Wir müssen das Auto von Christine finden. Vielleicht sind sie ja noch da. Mensch, Katja, jetzt mach dich doch nicht so schwer!«
»Ich bin schwer«, murmele ich, dankbar für seine beiden Hände, die meine Mitte zwar nicht nach oben schieben, sie aber doch einigermaßen stabilisieren können.
»Bei der Kehr«, wiederhole ich nachdenklich. »Auf den Hof der Sippe am Losheimer Landgraben bringen sie die Frau bestimmt nicht zurück. Das wäre kontraproduktiv. Außerdem wimmelt es da jetzt von Polizisten.«
Endlich haben wir den Aufstieg in den netzempfangsbereiten Wohnbereich des Untergeschosses geschafft. Erschöpft lasse ich mich auf einen Stuhl neben der Tür fallen.
»Ruf jetzt deine Dienststelle an und melde dich zurück!« Wieder halte ich Marcel mein Handy hin. Und erschrecke entsetzlich, als es plötzlich klingelt.
»Marcel ist wieder da!«, schreie ich ins Telefon, immer noch mit dem Gedanken bei
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