Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
dagegen. Vielleicht ist sie das Zeichen einer gewissen Selbstverneinung.«
Das Wort, das ich noch nie gehört hatte, erschreckte mich und forderte meine Höflichkeit heraus.
»Selbstverneinung?!« rief ich leise. »Darin, Mylord, kann
niemand Ihnen folgen und zustimmen. Es muß unbedingt dem lebhaftesten Widerspruch begegnen!«
»Wirklich?« frug er und wandte mir langsam den von unten, von der Tischplatte her gegen mein Gesicht aufsteigenden Blick zu. Sein Blick hatte immer etwas Erzwungenes und etwas von Überwindung. Doch diesmal war seinen Augen anzusehen, daß die Anstrengung gern geschah. Sein Mund lächelte mit feiner Schwermut. Darüber aber sprang mir gerade und schwer die überdimensionierte Nase entgegen.
Wie kann man nur, dachte ich, einen so feinen Mund und eine so klobige Nase haben?
»Wirklich!« bestätigte ich in einiger Verwirrung.
»Vielleicht, mon enfant«, sagte er, »erhöht Selbstverneinung die Fähigkeit zur Bejahung des Anderen.« Damit stand er auf und ging aus dem Saal. In mancherlei Gedanken blieb ich am Tischchen zurück, das ich abräumte und neu instand setzte.
Es litt wenig Zweifel, daß die tägliche mehrmalige Berührung mit mir für den Lord nicht gut war. Aber ich konnte sie weder abstellen noch sie unschädlich machen, indem ich aus meinem Verhalten zu ihm alle zarte Zuvorkommenheit tilgte, es steif und schnöde gestaltete und so Gefühle verwundete, die ich großgezogen hatte. Mich über sie lustig zu machen, war ich weit weniger noch in der Lage als im Falle der kleinen Eleanor, freilich auch nicht in der, mich nach ihrem Wesen auf sie einzulassen. Dies ergab einen beschwerlichen Konflikt, der zur Versuchung werden sollte durch den unerwarteten Antrag, den er mir machte, – unerwartet, was seinen sachlichen Inhalt betraf, wenn auch sonst keineswegs.
Es geschah gegen Ende der zweiten Woche, beim Kaffee-Service nach dem Diner, in der Halle. Ein kleines Orchester konzertierte nahe dem Eingang zum Saal hinter einem Pflanzengehege. Entfernt davon, am anderen Ende des Raumes hatte der Lord ein etwas für sich stehendes Tischchen gewählt, das er übrigens schon mehrmals benutzt und auf das ich ihm seinen Mokka gestellt hatte. Als ich wieder an ihm vorbeiging, verlangte er nach einer Zigarre. Ich brachte ihm zwei Schachteln mit Importen, beringten und unberingten. Er betrachtete sie und sagte: »Welche soll ich denn nehmen?«
»Der Händler«, antwortete ich, »empfiehlt diese.« Und ich deutete auf die beringten. »Persönlich würde ich, wenn es erlaubt ist, eher zur anderen raten.«
Ich konnte es nicht unterlassen, ihm Gelegenheit zur Courtoisie zu geben.
»So werde ich mich an Ihr Urteil halten«, sagte er denn auch, griff aber noch nicht zu, sondern ließ mich die beiden Kistchen weiter ihm darbieten und blickte auf sie nieder. »Armand?« fragte er leise in die Musik hinein. »Mylord?« Er änderte die Anrede und sagte:
»Felix?« »Mylord befehlen?« frug ich lächelnd.
»Sie hätten nicht Lust«, kam es von ihm, ohne daß er die
Augen von den Zigarren erhoben hätte, »den Hoteldienst mit einer Stellung als Kammerdiener zu vertauschen?« Da hatte ich es.
»Wie das, Mylord?« fragte ich scheinbar verständnislos.
Er wollte gehört haben »Bei wem?« und antwortete mit leichtem Achselzucken:
»Bei mir. Das ist sehr einfach. Sie begleiten mich nach Aberdeen und Schloß Nectanhall. Sie entledigen sich dieser Livree und tauschen ein Zivil von Distinktion dafür ein, das Ihre Stellung markiert und sie von der anderen Dienerschaft unterscheidet. Es ist allerlei Dienerschaft da: Ihre Pflichten würden sich ganz auf die Betreuung meiner Person beschränken. Sie würden immer um mich sein, auf dem Schloß und im Sommerhaus in den Bergen. Ihr Salaire«, fügte er hinzu, »wird vermutlich das Doppelte und Dreifache des hier bezogenen ausmachen.« Ich schwieg, ohne daß er mich durch einen Blick zum Reden angespornt hätte. Vielmehr nahm er mir eins der Kistchen aus der Hand und verglich diese Sorte mit der anderen.
»Das will sehr sorgfältig überlegt sein, Mylord«, ließ ich mich schließlich vernehmen. »Ich brauche nicht zu sagen, daß Ihr Anerbieten mich außerordentlich ehrt. Aber es kommt so überraschend … Ich muß um Bedenkzeit bitten.«
»Zum Bedenken«, erwiderte er, »ist wenig Zeit. Wir haben Freitag: ich reise im Laufe des Montag. Kommen Sie mit mir! Es ist mein Wunsch.«
Er nahm eine der von mir empfohlenen Zigarren, betrachtete sie rund
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