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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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stark. Er ließ wahrhaftig alle Minen springen. In meinem Kopfe tummelten sich die Gedanken, aber zur Zurücknahme meiner Absage ordneten sie sich nicht. Es würde eine mißliche Lordschaft sein, die seine Anteilnahme mir da in Aussicht stellte, mißlich in den Augen der Leute und nicht von der rechten Durchschlagskraft. Aber das war nicht die Hauptsache. Die Hauptsache war, daß ein Instinkt, seiner selbst sehr sicher, Partei nahm in mir gegen eine mir präsentierte und obendrein schlackenhafte Wirklichkeit – zugunsten des freien Traumes und Spieles, selbstgeschaffen und von eigenen Gnaden, will sagen: von Gnaden der Phantasie. Wenn ich als Knabe erwacht war mit dem Beschluß, ein achtzehnjähriger Prinz namens Karl zu sein und an dieser reinen und reizenden Erdichtung, solange ich wollte, in Freiheit festgehalten hatte – das war das Rechte gewesen, und nicht, was dieser Mann mit der starrenden Nase mir in seiner Anteilnahme bot.
    Ich habe sehr rasch, abgekürzt und mit der Eile, die damals meine Gedanken antrieb, zusammengefaßt, was in mir vorging. Ich sagte fest:
    »Verzeihen Sie mir, Mylord, wenn ich meine Antwort auf die Wiederholung meiner besten Reisewünsche beschränke.«
    Da erbleichte er, und plötzlich sah ich sein Kinn erzittern.
    Der Unmensch, wo ist er, der mich schilt, weil bei diesem Anblick auch mir die Augen sich röteten, vielleicht sogar feuchteten, aber nein, doch wohl nur etwas röteten? Anteilnahme ist Anteilnahme – ein Kujon, der gar keine Dankbarkeit dafür aufbringt. Ich sagte:
    »Aber Mylord, nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen! Sie haben mich getroffen und mich regelmäßig gesehen und Anteilnahme gefaßt an meiner Jugend, und ich bin aufrichtig erkenntlich dafür, aber es steht doch recht zufällig um diese Anteilnahme, sie könnte ebensogut auf einen anderen gefallen sein. Bitte – ich möchte Sie nicht verletzen, noch mir die Ehre schmälern, aber wenn ich auch ganz genau so, wie ich geschaffen bin, nur einmal da bin – jeder ist ja nur einmal da –, so laufen doch von meinem Alter und natürlichen Bau Millionen herum, und abgerechnet das bißchen Einmaligkeit ist einer wie der andere beschaffen. Ich kannte eine Frau, die nahm ausdrücklich in Bausch und Bogen Anteilnahme an dem ganzen Genre, – es wird bei Ihnen im Grunde ebenso sein. Das Genre ist allezeit da und überall. Sie kehren nun nach Schottland zurück – als ob es da nicht reizend vertreten wäre, und als ob Sie mich nötig hätten, um Anteil zu nehmen! Dort trägt es karierte Röckchen, soviel ich weiß, zu bloßen Beinen, es muß ja ein Vergnügen sein! Dort also können Sie sich aus dem Genre einen brillanten Kammerdiener erwählen und können gälisch mit ihm plaudern und ihn am Ende gar adoptieren. Vielleicht, daß er nicht so besonders geschickt ist, den Lord abzugeben, aber das findet sich, und wenigstens ist er doch ein Landeskind. Ich stelle ihn mir so nett vor, daß ich überzeugt bin, es wird Ihnen in seiner Gesellschaft unsere zufällige Begegnung hier vollständig aus dem Sinne kommen. Lassen Sie die Erinnerung daran meine Sache sein, bei mir ist sie wohl aufgehoben. Denn ich verspreche Ihnen, daß ich dieser Tage, in denen ich Sie bedienen und Sie bei der Zigarrenwahl beraten durfte, und des gewiß flüchtigen Anteils, den Sie an mir nahmen, allezeit mit der wärmsten Ehrerbietung gedenken werde. Und essen Sie auch mehr, Mylord, wenn ich bitten darf! Denn was die Selbstverneinung betrifft, darin kann kein Mensch von Herz und Verstand Ihnen zustimmen.«
       So sprach ich, und etwas wohl tat es ihm doch, wenn er auch bei meiner Erwähnung dessen im bunten Röckchen das Haupt geschüttelt hatte. Er lächelte ganz so feinen und traurigen Mundes wie damals, als ich ihm zuerst die Selbstverneinung verwiesen hatte. Dabei nahm er einen sehr schönen Smaragd vom Finger – ich hatte ihn oft an seiner Hand bewundert und trage ihn diesen Augenblick, während ich die Zeilen hier verfasse. Nicht, daß er ihn mir an den Finger steckte, er tat das nicht, sondern gab ihn mir eben nur und sagte sehr leise und abgebrochen:
    »Nehmen Sie den Ring. Ich wünsche es. Ich danke Ihnen. Leben Sie wohl.«
    Dann wandte er sich und ging. Nicht genug kann ich die Dezenz dieses Mannes dem Publikum zur Würdigung empfehlen.
    Und soviel denn also von Eleanor Twentyman und Nectan Lord Kilmarnock.

    Drittes Kapitel

    I ch kann mein inneres Verhalten zur Welt, oder zur
       Gesellschaft, nicht anders als widerspruchsvoll

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