Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
herum und führte sie an die Nase. Kein Beobachter hätte erraten können, was er dabei sagte. Er sagte leise: »Es ist der Wunsch eines einsamen Herzens.«
Welcher Unmensch will mir meine Ergriffenheit verargen? Und dabei wußte ich schon, daß ich mich nicht entschließen würde, diesen Seitenpfad einzuschlagen. »Ich verspreche Eurer Lordschaft«, murmelte ich, »daß ich die gegebene Frist zur Überlegung sorgfältig nutzen werde.« Und zog mich zurück.
Er hat, dachte ich, eine gute Zigarre zu seinem Kaffee. Diese Verbindung ist äußerst behaglich, und das Behagen ist immerhin eine mindere Form des Glücks. Mit der muß man sich unter Umständen begnügen.
Der Gedanke war ein stiller Versuch, ihm behilflich zu sein, sich zu behelfen. Aber es kamen nun einige sehr bedrückende Tage, denn bei jeder Hauptmahlzeit und auch nach dem Tee blickte der Lord einmal auf und fragte: »Nun?« Entweder schlug ich nur die Wimpern nieder und hob die Schultern, als seien sie schwer beladen, oder ich antwortete sorgenvoll:
»Noch bin ich nicht zur Entscheidung gediehen.«
Sein feiner Mund wurde zusehends bitterer. Aber mochte seine leidende Schwester auch einzig sein Glück im Auge haben – bedachte er die penible Rolle, die ich unter der zahlreichen Dienerschaft, von der er gesprochen, und selbst unter der gälischen Gebirgsbevölkerung zu spielen haben würde? Nicht die Laune des großen Herrn, sagte ich mir, würde der Hohn treffen, sondern das Spielzeug seiner Laune. Insgeheim, bei allem Mitgefühl, beschuldigte ich ihn des Egoismus. Und wenn ich nur nicht außerdem immerfort Eleanor Twentymans Verlangen nach freier Hand zu Wort und Tat im Zaume zu halten gehabt hätte!
Beim Sonntagsdiner wurde viel Champagner getrunken im Saal. Der Lord trank zwar keinen, aber bei Twentymans drüben knallte der Pfropfen, und ich dachte bei mir, daß das nicht gut sei für Eleanor. Es sollte sich die Berechtigung dieser Sorge erweisen.
Nach Tische, wie gewöhnlich, servierte ich Kaffee in der Halle, an welche, getrennt von ihr durch eine mit grüner Seide bespannte Glastür, ein Bibliotheksraum mit Lederfauteuils und langem Zeitungstisch stieß. Sehr wenig war das Zimmer benutzt; nur morgens saßen dort meistens einige Leute und lasen die neu ausgelegten Blätter. Man sollte diese eigentlich nicht aus der Bibliothek entfernen, aber jemand hatte das ›Journal des Débats‹ mit in die Halle genommen und es beim Weggehen auf dem Stuhl an seinem Tischchen liegen lassen. Ich rollte es ordnungsliebend um seine Stange und trug es ins leere Lesezimmer hinüber. Eben hatte ich es auf dem Langtisch in Reihe und Glied versorgt, als Eleanor sich einfand und klar bewies, daß ein paar Gläser Moët-Chandon ihr den Rest gegeben hatten. Sie kam auf mich zu, schlang mit Zittern und Beben die bloßen Ärmchen um meinen Hals und stammelte:
»Armand, I love you so desperately and helplessly, I don’t know what to do, I am so deeply, so utterly in love with you that I am lost, lost, lost … Say, tell me, do you love me a little bit, too?«
»For heaven’s sake, Miss Eleanor, be careful, somebody might come in … for instance, your mother. How on earth did you manage to escape her? Of course, I love you, sweet little Eleanor! You have such moving collarbones, you are such a lovely child in every way … But now get your arms off my neck and watch out … Tis is extremely dangerous.«
»What do I care about danger! I love you, I love you, Armand, let’s flee together, let’s die together, but first of all kiss me … Your lips, your lips, I am parched with thirst for your lips …«
»Nein, dear Eleanor«, sagte ich, indem ich versuchte, ohne Gewaltanwendung ihre Arme von mir zu lösen, »wir wollen damit nicht anfangen. Ohnedies haben Sie Champagner getrunken, mehrere Gläser, scheint mir, und wenn ich Sie nun auch noch küsse, so ist es gänzlich aus mit Ihnen, Sie sind dann vernünftigen Vorstellungen überhaupt nicht mehr zugänglich. Ich habe Ihnen doch so herzlich vor Augen gehalten, wie unnatürlich es ist für die Tochter eines durch Reichtum hochgestellten Elternpaars wie Mr. und Mrs. Twentyman, sich in den ersten besten Kellnerburschen zu vernarren. Es ist die reine Verirrung, und sollte sie auch Ihrer Natur und Anlage entsprechen, so müssen Sie sie doch um des gesellschaftlichen Naturgesetzes und der guten Sitte willen überwinden. Nicht wahr, nun sind Sie ein gutes, verständiges Kind und lassen mich los und
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