Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
gewimmelt hat von Käuzen, die sich im geringsten nicht um das geistliche Reimwort kümmerten auf ›schmuck und blank‹, sondern die Wahrheit erblickten in Form und Schein und Oberfläche und sich zu deren Priester machten und auch sehr oft Professor dafür wurden.« Ich schwöre: so sprach ich, denn es strömte mir zu. Und nicht nur einmal sprach ich so, sondern zu wiederholten Malen, sobald sich Gelegenheit dazu bot und ich mit Zouzou allein war, sei es auf einer der Bänke am Tennisplatz oder auf einem Spaziergang zu viert, mit Senhor Hurtado, nach einem Déjeuner, an dem er teilgenommen, und an das sich die Promenade schloß: auf den Waldwegen des Campo Grande oder zwischen den Bananenpflanzungen und tropischen Bäumen des Largo do Principe Real. Zu viert mußten wir sein, damit ich abwechselnd mit dem hoheitsvollen Teile des Doppelbildes und mit der Tochter ein Paar bilden, mit dieser ein wenig zurückbleiben und ihre stets mit stupender Direktheit geäußerte, kindische Auffassung der Liebe als eines unappetitlichen Bubenlasters mit edlen und reifen Worten bestreiten konnte. An jener Auffassung hielt sie hartnäckig fest, wenn ich es auch ein und das andere Mal durch meine Beredsamkeit zu Anzeichen einer gewissen Betroffenheit und schwankenden Gewonnenheit bei ihr brachte, einem stummen prüfenden Seitenblick, den sie flüchtig auf mich richtete und der verriet, daß mein schöner Eifer, den Fürsprech von Lust und Liebe zu machen, nicht ganz seinen Eindruck auf sie verfehlt hatte. Ein solcher Augenblick kam, und nie vergesse ich ihn, als wir denn also endlich – der Ausflug war lange verschleppt worden – in meiner Kalesche hinaus zum Dörfchen Cintra gefahren waren, unter Dom Miguels belehrender Führung das alte Schloß im Dorf, danach auf den felsigen Anhöhen die weitschauenden Burgen besichtigt hatten und dann dem berühmten, von einem so frommen wie prunkliebenden König, Emanuel dem Glücklichen, zu Ehr und Andenken der einträglichen portugiesischen Entdeckungsfahrten errichteten Kloster Belem, das heißt: Bethlehem, unseren Besuch abstatteten. Offen gestanden gingen mir Dom Miguels Belehrungen über den Baustil der Schlösser und des Klosters und was sich da an Maurischem, Gotischem, Italienischem, mit einer Zutat sogar von Nachrichten über indische Wunderlichkeiten zusammengemischt hatte, wie man zu sagen pflegt, zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Ich hatte an anderes zu denken, nämlich wie ich der kruden Zouzou die Liebe begreiflich machen könnte, und für das menschlich beschäftigte Gemüt ist, so gut wie die landschaftliche Natur, auch das kurioseste Bauwerk nur Dekoration, nur obenhin beachteter Hintergrund eben fürs Menschliche. Desungeachtet muß ich doch eintragen, daß die unglaubliche, aus aller Zeit fallende und in keiner bekannten wirklich angesiedelte, wie von einem Kinde erträumte Zauberzierlichkeit des Kreuzganges von Kloster Belem, mit seinen Spitztürmchen und fein-feinen Pfeilerchen in den Bogennischen, seiner gleichsam von Engelshänden aus mild patiniertem weißem Sandstein geschnitzten Märchenpracht, die nicht anders tat, als könne man mit dünnster Laubsäge in Stein arbeiten und Kleinodien durchbrochenen Spitzenzierats daraus verfertigen – daß, sage ich, diese steinerne Féerie mich wahrlich entzückte, mir den Sinn phantastisch erhöhte und bestimmt nicht ohne Verdienst an der Vortrefflichkeit der Worte war, die ich an Zouzou richtete.
Wir vier verweilten nämlich ziemlich lange in dem fabelhaften Kreuzgang, umwandelten ihn wiederholt, und da Dom Miguel wohl wahrnahm, daß wir jungen Leute auf seine Belehrungen über den König-Emanuel-Stil nicht sonderlich merkten, so hielt er sich zu Dona Maria Pia, ging mit ihr voran, und wir folgten in einem Abstande, für dessen Zunahme ich sorgte.
»Nun, Zouzou«, sagte ich, »ich meine, für die Baulichkeit hier schlagen wohl unsere Herzen im gleichen Takt. So etwas von Kreuzgang ist mir noch nicht vorgekommen.« (Mir war überhaupt noch kein Kreuzgang vorgekommen, der erste aber, den ich sah, war nun gleich ein solcher Kindertraum.) »Ich bin sehr glücklich, ihn mit Ihnen zusammen in Augenschein zu nehmen. Verabreden wir uns doch, mit welchem Wort wir ihn loben wollen! ›Schön?‹ Nein, das paßt nicht, obgleich er natürlich nichts weniger als unschön ist. Aber ›schön‹, das Wort ist zu streng und edel, finden Sie nicht? Man muß den Sinn von ›hübsch‹ und ›reizend‹ ganz hoch
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