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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Macht und geradezu von bevorzugtem Fleisch und Blut zu sein, innerlich stets gegen eine so unnatürliche Gleichstellung aufgelehnt. – Der etwaige Leser verzeihe mir diese Abschweifung ins rein Betrachtende, die mir vielleicht, da ich wenig geschult und amtlich gar nicht befugt zum Denken bin, schlecht zu Gesicht steht. Allein ich erachte es für meine Pflicht, ihn nach Möglichkeit mit den Eigentümlichkeiten meines Lebens zu versöhnen, oder aber, wenn dies unmöglich sein sollte, ihn beizeiten vom Weiterblättern in diesen Papieren abzuhalten.
       Zu Hause angelangt, begab ich mich im Überzieher auf mein Zimmer, um, was ich mitgebracht, auf meinem Tische auszubreiten und zu untersuchen. Kaum hatte ich geglaubt, daß es standhalten und bleiben werde; denn wie oft fallen uns im Traume köstliche Dinge zu, und wenn wir erwachen, so sind unsere Hände leer. Nur der vermag meine heiße Freude ein wenig zu teilen, der sich vorstellt, daß Güter, die ein reizender Traum ihm gespendet, am hel len Morgen sich wirklich und faßbar auf seiner Bettdecke vorfänden, gleichsam vom Traum übriggeblieben wären. Die Bonbons waren prima Ware, in farbiges Stanniol verpackt, mit süßem Likör und fein parfümierter Creme gefüllt; aber nicht ihre Vorzüglichkeit war es eigentlich, was mich berauschte, sondern der Umstand, daß sie mir als Traumgüter erschienen, die ich in die Wirklichkeit hatte hinüberretten können; und diese Freude war zu innig, als daß ich nicht hätte darauf bedacht sein müssen, sie gelegentlich wieder zu erzeugen. Man lege die Tatsache aus, wie man will, – ich selbst hielt es nicht für meine Aufgabe, darüber nachzudenken: es verhielt sich so, daß um die Mittagszeit der Delikatessenladen zuweilen leer und unbewacht war, – nicht oft, nicht regelmäßig, aber in längeren oder kürzeren Zwischenräumen kam es vor, und ich stellte es fest, wenn ich, meinen Ranzen auf dem Rücken, an der gläsernen Ladentür vorüberging. Dann trat ich ein, indem ich die Tür auf so festbehutsame Art zu öffnen und zuzuziehen wußte, daß die Glocke nicht einmal anschlug, sondern der Stößel sich nur lautlos an ihr rieb, ohne sie in Bewegung zu setzen, – sagte auf alle Fälle »Guten Tag« und nahm rasch, was sich darbot; nie unverschämt viel, sondern mit mäßiger Auswahl – eine Handvoll Konfekt, einen Streifen Honigkuchen, eine Tafel Schokolade –, so daß wohl niemals auch nur etwas vermißt worden ist; in der unvergleichlichen Ausdehnung meines Wesens aber, von der diese freien und traumhaften Griffe in die Süßigkeiten des Lebens begleitet waren, glaubte ich deutlich jene namenlose Empfindung wiederzuerkennen,

    die mir als Erzeugnis gewisser Gedankengänge und innerer Forschungen seit langem so wohl vertraut war.

    Achtes Kapitel

    U nbekannter Leser! Nicht ohne zuvor die geläufige Feder beiseite gelegt und mich durch einiges Nachdenken gesammelt zu haben, betrete ich hiermit ein Gebiet, das ich im bisherigen Verlauf meiner Bekenntnisse schon verschiedentlich gestreift habe, auf dem aber nunmehr die Gewissenhaftigkeit mich etwas zu verweilen nötigt. Ich schicke voraus, daß, wer sich etwa dabei eines lockeren Tones und schlüpfriger Scherze von mir versehen sollte, enttäuscht werden wird. Vielmehr bin ich gewillt, in den folgenden Zeilen den eingangs dieser Aufzeichnungen zugesicherten Freimut sorgfältig mit jener Mäßigung und jenem Ernst zu verbinden, den Moral und Schicklichkeit diktieren. Denn ich habe niemals das so allgemeine Vergnügen an der Zote verstanden, sondern die Ausschweifung des Mundes stets für die abstoßendste erachtet, weil sie die leichtfertigste ist und die Leidenschaft nicht zu ihrer Entschuldigung anführen kann. Es ist gerade, als ob es sich um den simpelsten, lächerlichsten Gegenstand von der Welt handelte, wenn man die Leute so witzeln und jökeln hört, während doch das strikte Gegenteil der Fall ist und von diesen Dingen in einem frechen, liederlich tändelnden Tone reden die wichtigste und geheimnisvollste Angelegenheit der Natur und des Lebens dem Gewieher des Pöbels überantworten hieße. – Jedoch zu meinem Bekenntnis!
    Da habe ich denn vor allem anzuführen, daß jene Angelegenheit sehr frühzeitig in meinem Leben eine Rolle zu spielen, meine Gedanken zu beschäftigen, den Inhalt meiner Träumereien und kindischen Unterhaltungen zu bilden begann: lange nämlich, bevor ich irgendeinen Namen dafür besaß oder mir auch nur von ihrer weiteren und allgemeinen

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