Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Haaren herbeigezogen. Aber mir kam nie der Verdacht, dass ich es mit jemandem zu tun haben könnte, der Amerika schaden will. Ein Waffenhändler? Ich bitte Sie! Ich war Designer für Damenmode. Was wusste ich schon von Waffen? Natürlich durchschaute ich seine Geschichten. Ich war ja nicht blöd. Er dichtete offensichtlich allerhand dazu, aber gefährlich wirkte er auf mich nie. Er schwadronierte weiter über die jüngste Tochter des Scheichs und die Scharen von Jungfrauen, die er in Dubai gehabt hatte, und behauptete, er werde im Jemen polizeilich gesucht. »Aber wer wird das heutzutage nicht!« 11 Ahmed gab am laufenden Band solche lächerlichen Kommentare ab, und man musste lernen, ihnen keine Beachtung zu schenken.
Besonders wenn in der Wohnung über uns mit Tellern geworfen wurde. Eine Tür knallte. Der Mann ging. Plötzlich war es still, und ich hätte die Ruhe gern genutzt – wenn Ahmed bloß gegangen wäre. Aber er wandte sich der Schneiderpuppe zu, bewunderte mein Kleid und fummelte mit seinen schmutzigen Fingern an dem Rock herum.
»Vorsicht, bitte«, sagte ich. »Es ist ziemlich empfindlich.«
»Du hast echt Talent, Boy. Schöne Struktur. Wie sieht's mit den Herren der Schöpfung aus? Ich bin nämlich selbst auf der Suche nach einem Designer.«
»Ich konzentriere mich ausschließlich auf Damenmode. Das hier ist Teil einer neuen Kollektion.«
Ahmed drehte die Puppe um und besah sich die Rückenpartie, den V-Ausschnitt, der von den Schultern bis hinab zu den Lendenwirbeln verlief. »Mmmm. Das gefällt mir. Für meinen Geschmack könnte der Ausschnitt vorn ein bisschen größer sein, so in der Art wie hier hinten, aber alles in allem …«
»Es ist noch unvollendet. Da muss noch viel dran gemacht werden.«
»Hast du schon mal einen Anzug entworfen?«
»Auf der Modeschule«, sagte ich.
»Prima. Du sollst mir nämlich zwei Anzüge entwerfen. Die Farbe bleibt dir überlassen, nur westlich müssen sie aussehen. Und Klasse ausstrahlen. Ich zahl dir fünfzehnhundert.« Ahmeds Finger wanderten die Schneiderpuppe hinauf zu den Brüsten, von denen er eine mit der hohlen Hand umschloss.
»Das ist wirklich sehr großzügig«, erwiderte ich. »Aber ich kann nicht. Es wäre Betrug. Außerdem bekämst du für den Preis bei Barneys wahrscheinlich zwei Anzüge.«
»Ja, aber die wären nicht für mich gemacht. Jemand anders würde mit genau dem gleichen Anzug herumlaufen. Es wären keine Originale. Halt mich für irre, Boy, aber es ist mir sehr wichtig, Sachen zu besitzen, die es auf der Welt nur einmal gibt. Wo ich herkomme, ist das ein Statussymbol. Ein Zeichen von Wohlstand.«
»Wirklich. Und wo kommst du her?«
»Aus Kanada.«
Wie gesagt, ich konnte selbst seine dreistesten Lügen überhören. Ich wusste, dass Menschen wie er nicht gut auf Anschuldigungen reagierten. Unser pakistanisches Dienstmädchen hatte seine Sachen gepackt, als meine Mutter es beschuldigte, Waschlappen aus unserem Wäscheschrank in der oberen Etage gestohlen zu haben. Das Dienstmädchen verließ unser Haus an jenem Tag schimpfend wie ein Rohrspatz, in seiner Muttersprache und völlig unverständlich, bis auf einen unheilschwangeren Satz, den es in seinem miserablen Englisch herausbekam: »Dabür birst du zahlen.«
Außerdem verstand ich Ahmeds Verlangen nach etwas Einzigartigem. Ich hatte mal einen ähnlichen Tick mit meinen Nike Hightops gehabt und damals weder Kosten noch Mühen gescheut, um eine echte Rarität zu finden – ein Originalpaar aus den Achtzigern. Manchmal geht es in der Mode nur um Prestige, und darum, dass sich der andere unterlegen fühlt.
»Ich muss passen«, sagte ich in Bezug auf die Anzüge. »Bitte versteh mich, ich hab viel zu tun.«
»Zweitausend«, konterte er.
»Es kostet enorm viel Zeit, so einen …«
»Zwei eins.«
»Und es ist so lange her, dass ich …«
»Zweitausendzweihundertfünfzig. Stoff inklusive.«
»Wer weiß, was überhaupt dabei rauskäme?«
»Zwei fünf. Material inklusive. Und Boy, vergiss nicht, ich hab jede Menge Kontakte in der Branche. Und ich weiß, wie man sich für einen Gefallen revanchiert. Ich bin ein echter Geschäftsmann. Wenn du dir für mich dieselbe Mühe gibst wie mit dem Kleidchen hier« – Ahmed legte der Schneiderpuppe einen Arm um die Taille, die beiden standen Hüfte anHüfte wie ein Liebespaar –, »dann wirst du es nicht bereuen.«
»Zweitausendfünfhundert Dollar?«
»Sieh mich an, willst du etwa nein sagen? Du hast mich schon einen Tausender
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