Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Fühl dich wie zu Hause.«
Ich betrat die Diele. Ahmed umarmte mich freundschaftlich und drückte mich an sich. Er roch widerlich.
»Wettest du, Boy?«
»Wie?«
»Wetten. Ob du wettest?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich.
»Was ist mit Pferden? Magst du Pferde?«
»Ja.«
»Was sag ich? Jeder mag Pferde. Ich kann uns Plätze auf der VIP-Tribüne in Saratoga besorgen. Glaubst du mir etwa nicht?«
»Nein, das hab ich nicht gesagt.«
»Wenn ich wollte, bräuchte ich bloß zum Telefon zu greifen und zack, wären wir in Saratoga und könnten auf die ganzen Vollblutschönheiten wetten. Hast du mal diese Brünetten mit ihren Riesenhüten gesehen?« Er streckte die Arme aus, um die Breite zu demonstrieren. »So groß.«
»Reden wir über Pferde?«
»Ha, was für ein Kerl! Yuksel, hab ich dir zu viel versprochen? Yuksel. Yuksel!«
Aus dem Zimmer am Ende des Gangs hörte ich jemanden würgen, dann husten und spucken. Dann das Plätschern eines Urinstrahls, woraus ich schloss, dass Yuksel ein Mann war. Der Urin fiel aus beträchtlicher Höhe.
Die Wohnung selbst war der reinste Saustall, aber so geräumig, dass ein kleiner Sweatshop darin Platz gehabt hätte. Die ursprünglich vier Wohneinheiten des Erdgeschosses waren entkernt worden und bildeten nun einen großen Chaos-Tempel. Nur eine baufällige Wand diente noch als Trennung zwischen den beiden Hauptzimmern. Im ersten standen mehrere Holzkisten mit der Aufschrift ZERBRECHLICH. Nun will ich nicht einfach das Opfer in meiner eigenen Geschichte spielen. Hier war ein Mann, von dem ich wusste, dass er mir etwasüber seine Herkunft verheimlichte. Vor allem aber war er ein Moslem im Jahr 2002. Ich wehrte mich nach Kräften gegen die Macht der Stereotype, aber um die Wahrheit zu sagen – dies ist schließlich ein Bekenntnis –, fühlte ich mich in der Wohnung dieses Mannes nicht wohl. Ich will nicht so weit gehen, Vorwürfe zu erheben, aber ich erkundigte mich tatsächlich voller Neugier nach dem Inhalt dieser »Zerbrechlich«-Kisten und den Säcken voll Erde, die zwischen Häufchen von Gipskarton und Kupfer die Wände säumten. »Zeder«, sagte er bezüglich der Säcke überall in der Wohnung. Und tatsächlich, ja, ich nahm ein holziges Aroma wahr. Es übertünchte Ahmeds ranzigen Körpergeruch. Und die Kisten, die seien vollgepackt mit Kunstwerken, wurde mir gesagt. Gemälde und Skulpturen von pakistanischen Künstlern. »Ich kann so ziemlich alles aus Pakistan rausholen«, sagte er, was meine Vermutung bestätigte, dass er Pakistaner war.
Über einen Teppich aus Noppenfolie (alle Noppen waren platt gedrückt) gingen wir in das hintere Zimmer, den Wohnbereich.
»Guck dich nicht so genau um«, sagte Ahmed. »Wir renovieren gerade.«
Der Blickfang war ein großes Klavier in der Mitte des Raums, und darum herum standen ein paar umgedrehte Milchkästen. Hinten war eine kleine Küchenecke, daneben ein Bad, frei einsehbar, wegen der herausgerissenen Wände. Yuksel stand mit dem Rücken zu uns vor der Toilette und schüttelte ab. Er erinnerte mich an eine Schlange im Käfig, eine große Boa. »Hiii«, zischte er und sah mich über die Schulter hinweg an. Er lächelte. Ahmed sagte irgendetwas auf Arabisch zu ihm, aber Yuksel antwortete nicht. Er spülte und kam aus dem Bad, und im Tageslicht sah ich, dass der kleine Teufel immer noch lächelte. Ein Geburtsdefekt, wie ich später erfahren würde – ein Dauerlächeln, das einem das Gefühlgab, man hätte einen Witz verpasst. Das konnte einen sehr befangen machen, obwohl Yuksel in Wirklichkeit ein schüchterner Mensch war, der jetzt an mir vorbei in das vordere Zimmer huschte, mit gesenktem Kopf, sein dämonisches Grinsen verbergend.
»Beachte Yuksel einfach nicht. Er arbeitet da drinnen, während wir frühstücken.«
»Stimmt mit seinem Gesicht irgendwas nicht?«, fragte ich, so höflich ich konnte.
»Er ist bloß gut drauf. Komm, setz dich ans Klavier.«
Ahmed ging in die Küchenecke und machte Kaffee. Sein Gestank verflüchtigte sich ein wenig. Ich setzte mich ans Klavier, wie mir geheißen wurde, und widerstand dem Drang, die Tasten zu drücken. Selbst ohne dass sie gespielt wurden, schienen sie mit ihrer Stille Musik zu machen. Ich setzte den Fuß auf eins der Pedale und spürte das leichte Vibrieren des Klaviers.
»Ich spiele selbst«, sagte Ahmed. »Hauptsächlich Musical-Songs. Los, teste mich, nenn mir irgendein Lied. Und ich sag dir, ob ich es spielen kann.«
Ich beschloss, ihm seinen Willen zu lassen. »Wie
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