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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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hoch. Man hält uns zwischen Schlaf- und Wachzustand. Man hält uns müde. Dann das Furzen und Rülpsen der anderen Gefangenen. Jammern, Weinen, Gähnen, Stöhnen, alles, was ein Mensch von sich geben kann. Die Nachtwachen reden und gehen über das Deck. Ein paar Mal habe ich in der Ferne Explosionen gehört. Ich glaubte, wir wären unter Beschuss. Cunningham, mein Nachtwächter, hat mir erzählt, es seien Landminen aus einem vergessenen Krieg, die da explodierten. Sie würden von Inselbewohnern ausgelöst, die ins sichere Niemandsland flüchten wollten.
    Stellen Sie sich das mal vor, Menschen werden in Stücke gerissen beim Versuch, hier reinzukommen! Kann man etwas so Brutales noch als Ironie bezeichnen?
    Warum bin ich hier im Niemandsland?
    Ich habe meinen Vernehmer gefragt.
    Die Frage hängt noch immer in der Luft, genau wie der Gestank einer Ratte, die ausgerechnet unter meiner Zelle das Zeitliche gesegnet hat.
    Ich habe Angst, dass wir uns alle an den Gestank gewöhnen.

...
    MODUS OPERANDI
    ...
    Da ich rund um die Uhr bewacht werde, habe ich praktisch keinen Kontakt zu den anderen Gefangenen. Klar, sie sind in meinem Zellenblock um mich herum, aber Win oder Cunningham hindern sie daran, mit mir zu sprechen. »Kein Kontakt«, hat Cunningham meinen Nachbarn angebrüllt, als er einmal versuchte, mir etwas durch das Gitter zuzuflüstern. Aber der Mann spricht sowieso kein Englisch. Und selbst wenn wir einander verstehen könnten, was sollte ich zu ihm sagen? »Im Gegensatz zu dir bin ich unschuldig.«
    Selbst während der Hofstunde werde ich von den anderen Gefangenen ferngehalten. Einmal in der Woche lassen sie uns aus unseren Zellen und führen uns in den Gefängnishof. Die Wächter nennen es Hofstunde, dabei dauert es gerade mal fünfzehn Minuten. Die restlichen fünfundvierzig gehen für Hin- und Rückweg drauf. Ich werde mit Hand- und Fußfesseln ausstaffiert und von meinem Käfig in einen anderen separaten Käfig geführt, während die anderen in einem mit Maschendrahtzaun umgrenzten Gemeinschaftsbereich zusammengepfercht werden. Während der Hofstunde hat Win, mein Tageswärter, dienstfrei, und ich werde von einem anderen MP eskortiert. Heute ist es eine Frau.
    Das Gitter über mir ist mit einer blauen Plane bedeckt. Sie hat kleine Löcher, durch die Sonnenstrahlen dringen. Meist scheint die Sonne im Niemandsland. Es ist noch kein Tropfen Regen gefallen, seit ich hier bin. Trotzdem ist die Luft eklig feucht. Kaum ein Windhauch vom Meer.
    Direkt hinter dem Gefängnishof befindet sich ein Schotterplatz. An einem Ende steht ein Fußballtor ohne Netz. Am Rand des Spielfelds ein staubbedeckter Heimtrainer. Ein platter Ball liegt im Mittelfeld. Wir müssen in unseren Käfigen bleiben, deshalb erinnert uns das Spielfeld vor unseren Augen nur an das, was wir nicht haben können.
    An der Art, wie die anderen Gefangenen mich in meinem Käfig ansehen, merke ich genau, dass sie sich nur schwer an meine Anwesenheit gewöhnen. Sie halten mich für einen Maulwurf, einen Spitzel, der sie aushorchen soll. Dabei spreche ich noch nicht einmal Arabisch. Wie könnte ich sie belauschen, ohne ein Wort von dem zu verstehen, was sie sagen?
    Es ist alles eine Frage des Motivs, sagt man mir.
    Über Motive diskutiere ich mit meinem Griechen ziemlich oft. Was war mein Hauptmotiv, als ich mich auf Ahmed einließ? Noch so eine Frage, die bei unseren Sitzungen immer im Raum steht, und eine, die über diesem wahren Bekenntnis schwebt. Ich bin Designer für Damenmode, was in aller Welt hat mich also dazu bewogen, einem Fremden zwei Herrenanzüge nach Maß zu schneidern? Was war mein Motiv?
    Man sagt für gewöhnlich, es regiere die Welt, und in Amerika könne man es schneller verdienen als sonst irgendwo auf der Welt. Ich tat es fürs Geld! Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich wurde gelenkt von der Notwendigkeit, meinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was ich bis dahin offen gestanden nicht getan hatte. Auch wenn ich regelmäßig Jobs als Stylist annahm, zehrte ich immer noch vom Speck meines Heimatlandes – Momma und Dada; sie überwiesen mir monatlich tausend Dollar. Ich brauche Ihnen sicher nicht zu erzählen, dass man damit angesichts der Lebenshaltungskosten in New York City im Jahr 2002 keine großen Sprünge machen konnte. Man musste Miete zahlen, etwas essen, sich jede Saison neu einkleiden, um mit der kurzlebigen Mode Schritt zu halten, in Clubs gehen, Eintritt und Trinkgelder zahlen und Drogen für die After Hours kaufen.

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