Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
wär’s mit irgendwas aus Westside Story ?«
Sofort ließ er alles stehen und liegen und machte ein ziemlich ernstes Gesicht. Mir wurde angst und bange. » Dare is a place fur’uzz «, sang er. » Anyplace fur’uzz .« Mit den Fingern tippte er leicht in die Luft.
Mir ging auf, dass das kein Beweis war, dass er das Lied oder überhaupt irgendetwas auf dem Klavier spielen konnte. » Soomewheeeeerre. Soomehooooww .«
»Schön.« Mehr fiel mir nicht ein.
»Siehst du, sag ich doch, ich kann alles spielen.«
»Stimmt.«
Ahmed schenkte uns Kaffee ein und kam damit zum Klavier herüber.
»Boy«, sagte er, »da wir ja bald Geschäftspartner werden, erweise mir doch die Ehre und verrate mir deinen ganzen Namen.«
»Ich bin nach meinem Vater benannt. Boyet Ruben Hernandez.«
»Ein Name wie für einen Star! Ich hab ja gestern Abend schon gesagt, dass ich mir um deinen Erfolg keine Sorgen mache. Du wirst es weit bringen, mein Freund. Auf dich.«
Ich prostete ihm zu und trank einen Schluck.
»Und jetzt sag mir doch – und entschuldige, falls ich unhöflich bin –, wo du herkommst. Nein warte, sag nichts. Ich liebe dieses Spielchen. ›Herkunftsland‹, nenne ich es, genau wie es im Pass steht. Fangen wir mit deinem Akzent an, oder damit, dass du keinen hast. Manchmal klingt so eine leichte US-Kolonisierung durch. Du hast von klein auf amerikanisches Englisch gelernt, kein britisches. Vielleicht sogar parallel zu deiner Muttersprache. Dein Englisch ist fast perfekt, aber manchmal passieren dir Patzer beim F und beim P. Nur manchmal. Das verrät dich.«
Ich muss sagen, ich war gekränkt. Ich war stolz darauf, wie es mir gelang, meine Muttersprache zu unterdrücken. Ahmed kam näher, bedeutete mir aufzustehen und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Dann ist da deine Körpergröße. Du bist petit . Eher ein Kind als ein Mann. Aber du hast einen großen Geist. Einen unsagbaren Stolz ohne jede Spur von Anspruchsdenken.« Er grapschte sich meine Arme und strich darüber hinweg. »Dann deine glatten Arme, und unter deinem Hemd eine völlig nackte Brust, wie von einer Frau. Und auch deine Beine – als ob du sie gerade in der warmen Badewanne rasiert hättest.« Ich schluckte den bitteren Geschmack der kolumbianischen Bohne. Er beugte sich weiter zu mir hinab, bis ich die warme Luft aus seinen Nasenlöchern spürte. Er begutachtete mein Gesicht von vorn und im Profil undsagte: »Kein Bart, nur eine leichte Spur von einem Schnauzer. Deine Landsleute kenne ich. Niemand sagt saftiger › puck it‹ als die P ilipinos. Hab ich Recht?«
Ich nickte und war erleichtert, als er meine Arme losließ. Er klopfte mir auf den Rücken und ging zurück in die Küche.
»In den Neunzigern war ich oft unten bei euch. In Manila und in den südlichen Provinzen. Eine wunderbare Republik. Ich komme viel rum in meinem Geschäft, vor allem in Länder, wo in der Regierung und in der Wirtschaft Chaos herrscht. Brauch ich dir ja nicht zu erzählen. Arbeitskräfte sind billig, und Rohstoffe kriegt man quasi hinterhergeschmissen. Mein bestes Jahr war dreiundneunzig. Da hab ich in Malaysia eine Million Dollar verdient. Ein echtes Kunststück zu der Zeit. Viele haben das für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten. Aber ich hab meine Million verdient. Vierundneunzig war nicht so gut. Da hat mich eine Scheidung ein Heidengeld gekostet. Da war der halbe Erfolg vom Jahr davor wieder futsch.«
Genau an dieser Stelle hätte ich stopp sagen müssen. Ich hätte meinen Kaffee abstellen und mich entschuldigen sollen. Wie konnte ich bloß so naiv sein? Wenn ich bloß gewusst hätte, was ich heute weiß! Dass das US-Verteidigungsministerium solche Sachen nämlich nicht auf die leichte Schulter nimmt. Dass ein unschuldiges Gespräch über Abstammung für das Department of Homeland Security ein hinreichender Grund ist, um einen zu verhaften, oder für das Verteidigungsministerium ein Beweis für eine Verschwörung, je nachdem, wen man fragt. Ich hätte mich erkundigen sollen, in welchen Provinzen sich Ahmed aufgehalten hatte, und speziell, ob er je im Westen von Mindanao gewesen war (sofort Alarmstufe rot). Jeder weiß, dass die Gruppe Abu Sajaf 20 (vom Verteidigungsministerium zertifizierte Terroristen) dort einen wütenden Dschihad führt und mitten im Pazifik einen unabhängigen islamischen Staat ausrufen will. Wenn ich nur gefragt hätte, hätte ich vielleicht Angst vor diesem Mann bekommen und wäre verdammt noch mal abgehauen. Aber ich schwöre Ihnen,
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