Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Ich weiß, das klingt alles ziemlich highschoolmäßig, aber so läuft es nun mal in der Modeszene. Um die nötigen Kontakte zu knüpfen und sich ein Insidernetzwerk aufzubauen, muss man eine Menge Zeit und Geld in das Nachtleben investieren. Netzwerken lautet das Stichwort. Und Netzwerken kostet.
Lassen Sie mich an dieser Stelle mit dem Stigma des abgerissenen, dunklen Illegalen aufräumen: des Mannes mit dem kindlichen Körper, der unentdeckt im Dunkeln wartet, während Sie gerade den Hauptgang beenden. Wir kommen nicht alle in der Absicht, jeden Job in Amerika zu einem noch niedrigeren Stundenlohn zu erledigen. Das ist ein Vorurteil, üble Nachrede, Herabsetzung, und es entbehrt jeder Grundlage! Genau wie der reinrassigste Amerikaner wusste ich, dass ich für meinen Erfolg Startkapital brauchte, und Ahmed für zweitausendfünfhundert Dollar zwei Anzüge zu nähen, bedeutete schlicht und einfach Profit.
Außerdem wurden die ersten Samen für meine Modeleidenschaft im Anzuggeschäft gelegt. Als Kind arbeitete ich jeden Sommer bei meinem Tito Roño in Cebu. Er war Schneider. Ein Familienvater. Er hatte eine Frau und zwei adoptierte Kinder aus den Provinzen. Außerdem war er ein heimlicher Crossdresser. Einmal, als er sich bückte, sah ich, dass er unter der Hose einen Damenslip trug. Ich begriff sofort, dass mein Onkel etwas eigen war, dass er inkognito auftrat und irgendetwas vor uns allen geheim hielt. (Wenn man Damenslips trägt, ist man noch lange kein Homosexueller. Und trotzdem fällte ich das einzige Urteil, das ich in diesem Alter fällen konnte – dasselbe, das meine Klassenkameraden auf dem Schulhof über mich fällten.)
Ich lag auf einem Stahltisch vor einem großen Fabrikventilator und sah meinem Onkel bei der Arbeit zu. Tag für Taghielt ich den Aschenbecher für die Kunden, die vor dem dreiteiligen Spiegel stillstanden, während Tito Roño das Maßband schwang – jenes Maßband, das er immer um den Hals trug wie ein Arzt sein Stethoskop. Wenn mein Onkel die Schrittlänge nahm, sah ich fast immer einen seiner pastellfarbenen Slips hervorblitzen, die hinten meist ein Stück über die Hose hinausragten – dort wo amerikanische College-Mädchen gern Arschgeweihe tragen. Sogar seine Kunden erspähten sein kleines Satin-Geheimnis. Manche Männer taten, als wäre es nicht da, manche sahen mich fragend an, und andere rauchten lächelnd weiter ihre Zigarette, wobei sie mich ab und zu mit der Asche verbrannten, die sie in meine Richtung schnippten. Und trotzdem kamen sie alle dann und wann wieder, loyal und voller Bewunderung für das Händchen meines Onkels für Anzüge.
Was gab es dort also für mich zu mögen? Nicht viel. Tito Roños Lädchen war eng und verraucht. Stoffballen lagen auf schiefen Stapeln, die jeden Augenblick zu kippen drohten wie waghalsige Jenga-Türme. Schon damals fand ich, dass dem Anzug die Energie und Ausstrahlung des Kleids fehlte, jenem Medium, dem ich mein Leben widmen sollte.
Ich begriff jedoch, dass mein Onkel ein überaus angesehener Mann war. Dass er ein Jemand war, zu einer Zeit, als ich ein Niemand war. Und dass ausgerechnet ich mit ihm verwandt war und die Leute mich, den Neffen des Schneiders, auf meinen Runden durch die Stadt erkannten. Alles wegen meines Tito Roño, der Damenslips trug. Er war ein Jemand, dachte ich. Und ich verstand, dass Mode der Grund dafür war.
Unter den rund zweihundert Namen in der Rollkartei meines Onkels befanden sich mehrere Politiker, einst hochangesehene Mitglieder der Marcos-Regierung, und auch ein paar Filmschauspieler, die ich kannte. Es waren Filipino-Nachnamen höchsten Ranges: Rosalese, Aquinos, Cuarons und sogar echte Marcos, höchstwahrscheinlich Verwandte des exilierten Ex-Präsidenten.
Das waren die Glanzzeiten, die Jahre, in denen das Geschäft meines Onkels florierte. Fast anderthalb Jahrzehnte später, als Ahmed vor mir stand und mir ein Angebot machte, das Ferdinand Marcos persönlich hätte erröten lassen, spürte ich diese Zeiten zu mir zurückkehren.
Ich gestehe, dass mir am Abend dieser Begegnung mit Ahmed, nachdem er mein kleines Zimmer verlassen hatte, einige Zweifel kamen. Aber alle Zweifel bezüglich seines Charakters wurden von der Vorstellung verdrängt, dass ich gutes Geld verdienen würde. Ich war in finanziellen Dingen wohl ziemlich unreif. Klar hatte ich damals in Manila ab und zu ein paar Kleider an Boutiquen verkauft, aber ich hatte nie wirklich etwas verdient. Mein finanzieller Verstand war verkümmert.
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