Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Name würde in aller Munde sein. In Manila hatte ich während der Philippine Fashion Week einmal eine Strick-Kollektion präsentiert. Ein paar Stücke hatten es sogar bis in Boutiquen in Makati und Cubao geschafft, aber ich war nicht allzu bekannt. Zu Hause teilte man sich den Runway mit Designern, die früher Schönheitsköniginnen und B-Promis waren – Miss Mindanao ’95 und frisch entlassene Kandidaten von Pinoy Big Brother 6 –, und die Käufer hielten sich meist an die Marken bekannter Namen. Wollte man ernst genommen werden, musste man nach New York gehen. Und jetzt, wo ich mein Ziel erreicht hatte, schwirrten mir die Möglichkeiten nur so im Kopf herum. Erst das klagende Saxofon eines Straßenmusikers holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ich nahm wieder ein Taxi und fuhr zur Wohnung von Dasha Portnick, einer alten Freundin, die ich noch aus Manila kannte, wo sie in meiner ersten Modenschau gelaufen war. Sie überließ mir ihre Wohnung, während sie in Thailand eine Hautaufhellungskampagne für Oil of Olaz machte. Dasha war eine atemberaubende dunkelhaarige Schönheit, aber mit sechsundzwanzig schon zu alt für den New Yorker Markt. Deshalb machte sie zur Fashion Week immer absichtlich einen gut bezahlten Job irgendwo im Ausland klar. Da man in Südostasien nicht genug bekommen konnte von dunkelhaarigen weißen Mädchen, verdiente Dasha ihren ganzen Lebensunterhalt dort. Bevor ich aus Manila wegging, hatte mir ihr Gesicht sogar von unzähligen Plakatwänden am South Super Highway entgegengeblickt, Werbung für ein neues Kosmetikpflaster, das man sich über die Nase klebte.
Dasha hatte mir ihre Adresse auf die Rückseite ihrer Sedcard geschrieben, direkt neben ihre Hüft-, Taillen- und Brustmaße. Das Taxi setzte mich vor dem Gebäude auf der Lud-low Street ab, einem jener schicken Wohntürme, die gegen die altmodischen Wohnhäuser der Lower East Side anfunkelten.
Mit Sack und Pack betrat ich die Eingangshalle und wurde von einem Portier begrüßt, einem freundlichen Hispano mit sauber gestutztem Schnauzbart. Ich stellte mich als Freund von Dasha vor, und er gab mir einen Ersatzschlüsselbund. »Moment«, sagte er plötzlich, »das hätt’ ich fast vergessen.« Er zog einen zusammengefalteten Zettel unter seinem Tre-sen hervor und zwinkerte mir leicht zu, so als wüssten wir beide über irgendetwas Bescheid. »Gute Nacht, Mann«, sagte er.
»Danke, Mann«, plapperte ich ihm nach. Auch die beiden Taxifahrer hatten »Mann« zu mir gesagt. Ich lernte schnell, wie man mit New Yorks Arbeiterklasse sprach.
Boy,
willkommen. Hier ist dein Schlüssel. Das obere Schloss ist kaputt. Bitte gieß den Ficus nicht zu sehr. Und lass dich nicht von Olya stören, sie ist okay.
Ciao,
Dasha
PS Pass auch auf, dass Olya den Ficus nicht zu sehr gießt. Ich hab’s ihr schon gesagt, aber sie ist ziemlich vergesslich, weißt du.
Das war das Erste, was ich über Olya erfuhr. Aber es machte mir nichts aus. Nur beim Arbeiten brauchte ich absolute Ruhe.
Im zehnten Stock, am Ende eines langen, mit Teppichboden ausgelegten Flurs, klopfte ich an die Wohnungstür und wartete. Es kam keine Antwort, also ging ich hinein. Alle Lichter waren aus, die Rollläden heruntergelassen. Ich stellte meine Sachen in der Küche ab und ging ins Schlafzimmer, und dort fand ich Olya – mit nichts als einem Slip bekleidet. Sie lag auf dem Rücken, die angewinkelten Beine auf der Seite, und schlief tief und fest. Olya hatte einen fantastischen blonden Bob, glänzend und gesund, ihr Körper dagegen wirkte blass und eingefallen. Ihre Brüste waren klein und enttäuschend. In einer Ecke des Schlafzimmers sah ich auch den Ficus, er stand in einem Topf voll schlammigem Wasser.
Mir kam der Gedanke, sie zuzudecken, aber Steppdecke und Laken klemmten zwischen ihren Beinen. Und außerdem, wie würde sie wohl reagieren, wenn sie aufwachte und über ihr ein Wildfremder herumwuselte? Ich überlegte, dass es das Klügste wäre, meine Ankunft noch einmal nachzuspielen und dabei Lärm zu machen. Idiotisch, ich weiß, aber ich ging meine Schritte ein zweites Mal durch.
Ich klopfte noch einmal an die Tür. Als ich mir sicher war, dass sie nicht aufstehen würde, steckte ich den Schlüssel ins Schloss, rüttelte am Türknauf, ließ meinen Koffer in der Küche fallen und knallte die Tür hinter mir zu. »Hallo?«, rief ich. Noch immer keine Antwort. »Hallo?«, rief ich noch einmal, deutlich lauter.
»Wer ist da?«, fragte Olya. Sie hatte eine
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