Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Ahmed. Genau das hält doch die Branche am Leben, verstehst du? Wir sind doch alle abhängig. Unersättlich. Nichts ist befriedigend, ganz sicher nicht für den Kunden.«
»Genug davon, Boy. Du brauchst mir nichts zu verkaufen. Unser Vertrauen ist wie eine schöne Blume. Wir müssen sie hegen und pflegen. Oh, lass es regnen! Unser Garten soll wachsen und gedeihen! Du siehst, ich bin enthusiastisch wie eh und je. Und aus der Perspektive eines Investors: Ich kenne keine andere Branche mit einer Gewinnspanne von fünfhundert Prozent. Gut, außer Öl. Aber den Kuchen haben die Saudis ja unter sich aufgeteilt.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. »Was willst du damit sagen?«
»Muss ich dir das noch buchstabieren? A-B-C-D? Ich will in dein Geschäft einsteigen, was denn sonst? Ich bin Stoffhändler, aber darin liegt keine Ehre. Keine Kunst.«
Bronxville erschien mir plötzlich so fern wie Sibirien.
»Wir vertrauen uns doch, oder? Vertrauen ist was von Mann zu Mann. Sonst gibt’s ein Riesendurcheinander.« Er schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. »Ich will in deine Kollektion investieren.«
»Ahmed, so ein Start-up ist eine Nummer zu groß für einen einzigen Investor.« Mein Hirn ratterte jetzt, und ich versuchte, diesem fragwürdigen Gönner gedanklich einen Schritt voraus zu sein. »Zuerst muss ich den ganzen Betrieb nach Williamsburg verlegen. Dann brauche ich Cutter und Leute, die nähen können. Und ich muss mir einen guten Presseagenten suchen.«
»Ach komm, willst du mich verscheißern? Was kostet so ein Start-up? Sechzigtausend? Siebzig? Ein paar Unkosten hat man immer. Ich rede mal mit meinem Buchhalter, Dick Levine. Der kümmert sich um meine Finanzen. Außerdem kenn ich ein paar Vermieter in Williamsburg, die mir noch was schuldig sind. Ich hab da schon was im Kopf. Eine ehemalige Zahnstocherfabrik.«
Ich begann, Ahmeds andauerndes Lügen als eine jener typischen Berufskrankheiten zu betrachten, von denen es so viele gibt. Models machen eine Diät nach der anderen. Schriftsteller trinken. Sportler dopen. Und Geschäftsleute lügen. Ich ließ mein Fenster herunter.
Irgendwo auf dem Major Deegan Expressway gibt es einen spürbaren Wandel in der Atmosphäre. Die stickige Bronx-Luft wird von der milderen Kühle von Lower Westchester abgelöst. Der Wind ließ einen Teil meines Gesichts taub werden. Für einen Augenblick sah ich mich über dem Zipcar schwebend den Major Deegan entlangziehen, mein Geist losgelöst von meinem Körper. Ich flog. Ich atmete tief ein.
Plötzlich riss Ahmed den Wagen herum. »Scheiße Mann, hast du das Schlagloch gesehen? Das war größer als du.«
Vielleicht war dieses Finanzierungsmodell wirklich so hirnrissig, wie ich es damals tief im Inneren ahnte. Aber bedenken Sie meine Lage. Von Montag bis Donnerstag redete ich mir den Mund fusselig, um mein Label zu verkaufen, aber niemand sprang darauf an. Hier war jemand, der sich wirklich für Mode zu begeistern schien. Ich sah es nicht so, dass ich in Ahmed endlich einen Dummen gefunden hatte, der mir mein Label finanzierte. Für mich war Ahmed jemand, der an das glaubte, was ich tat. Ungeachtet seiner Schmeicheleien glaubte ich, dass er in mir den erkannt hatte, der ich war, ein talentierter Designer. »Guckt euch diesen Trottel an!«, sagen Sie jetzt vielleicht kopfschüttelnd. »Lässt sich wie ein Dschihadi mit all den Jungfrauen ködern, die man ihm im Himmel versprochen hat.« Ich bitte Sie noch einmal, sich vorzustellen, Sie hätten in meinen Nike Hightops gesteckt. Mein Leben hängt davon ab! Dass er einen Dummen suchen könnte, kam mir nie in den Sinn. Warum auch?
»Ohne diese Navi-Schnalle würden wir irgendwo in der Pampa von West Nyack rumgurken«, sagte Ahmed. »Die Frau ist hundertprozentig exakt. In zwei Minuten und fünfundvierzig Sekunden haben Sie Ihr Ziel erreicht. Und guck dir die Tankanzeige an. Die Nadel hat sich keinen Millimeter bewegt! Hab ich’s dir nicht gesagt? Die Karre ist super auf dem Highway.«
Als wir den Campus erreichten und langsam die Kimball Avenue entlangrollten, sog ich alle Verheißungen eines Abends in Bronxville in mich auf. Den Geruch eines Holzfeuers, das Pock-Pock von Tennisbällen, das selbst im November von den Tennisplätzen herüberhallte, und die imposanten und herrlich beleuchteten Gebäude im Tudorstil. Unter unseren Reifen raschelte trockenes Laub wie Zimt und getrocknete Blütenblätter.
Ich bat Ahmed, mich auf dem Fakultätsparkplatz
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