Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
abzusetzen.
»Schicke Hütte«, sagte er, als wir einbogen. »Kostet ein Vermögen, dieser ganze Bildungsquatsch. Und deine Perle, kommt die aus ’ner reichen Familie?«
»Ich glaub schon. Um ehrlich zu sein, weiß ich kaum was über ihre Familie.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich war nie auf dem College. Hab mit dreizehn angefangen zu arbeiten und es nie bereut. Ich bin kein großer Künstler wie du, aber ich hab immer mit irgendwas Geld verdient. Vielleicht ist das mein Talent.«
Bevor ich ausstieg, verabredeten wir uns für Montagmorgen, sobald ich zurück in der City wäre. Dann würden wir die Details unserer Zusammenarbeit besprechen.
»Eine Sache noch, Boy: Ich will bei dem Ganzen ein stiller Partner sein. Mir reicht es schon, bei deinem Geschäft dabei zu sein. Ich will nicht ins Rampenlicht. Unser Vertrauen wird seine ganze Schönheit entfalten. Und jetzt steigen wir aus und umarmen uns wie zwei Männer, die keine Angst davor haben, wie das aussieht.«
So, wie alles gelaufen ist für mich hier im Niemandsland, könnte man sagen, ich hätte ein schlechtes Urteilsvermögen. Eigentlich stehe ich in diesem ganzen Bekenntnis bisher da wie ein Volltrottel. Aber was ist eigentlich ein gutes Urteilsvermögen? Gut wird zu oft mit moralisch einwandfrei verwechselt. Aber im Geschäftsleben ist Moral ein Hindernis. Das nur mal so nebenbei. Sie steht in absolutem Widerspruch zur Modeindustrie. Die kennt keine Moral. Im Geschäftsleben ist gutes Urteilsvermögen gleichbedeutend mit Profit. Im Modebusiness ist Profit gleich Ruhm. Trotz all seiner Widersprüche gelang es Ahmed, mich davon zu überzeugen, dass er Profit machen konnte. Und ich wollte berühmt werden.
Yves Saint Laurent hat es auf den Punkt gebracht: »Ich habe allein wegen des Ruhms angefangen.«
Michelle wohnte allein in einem Behindertenzimmer imTitsworth, einem Tudorgebäude direkt neben der Mensa. Als ich sie zum ersten Mal darauf ansprach, meinte sie, sie habe Glück gehabt: Das College habe zu viele solcher Zimmer und nicht genug behinderte Studenten, um sie zu belegen. Zu den Annehmlichkeiten des Zimmers gehörte ein eigenes Bad mit einer großen Wanne. Ich fand immer, dass das blaue Rollstuhlsymbol außen an ihrer Badtür typisch ironisch war, ein hübsches Detail, dem sie das i-Tüpfelchen hinzufügte, indem sie das Bad immer nur als Klo, Örtchen oder Puderzimmer bezeichnete. Sie sagte zu Badezimmern alles Mögliche, nur nicht Badezimmer. Es war ihre Art, sich interessant zu machen.
Sie meldete mich bei der Rezeptionistin an, und wir gingen auf Michelles Zimmer, ein Nickerchen machen. Sie zog ihre Strickjacke aus, ich knöpfte mein Hemd auf. Wir küssten uns eine Weile und lagen dann eng umschlungen auf ihrer Einzelmatratze.
Schließlich drehte ich mich auf den Rücken und erzählte ihr, was sich gerade zwischen Ahmed und mir ereignet hatte. »Ich glaub’s nicht. Stell dir mal vor, ich hab das Geld für den Start-up.«
»Meinst du nicht, der ist nur ’ne Luftnummer?«
»Wir haben uns vorhin draußen auf dem Parkplatz umarmt.«
Sie stöhnte gequält auf. »Du bist vielleicht komisch. Ich meine, bist du dir sicher, dass er das wirklich durchzieht? Das ist ja schon eine Menge Geld …«
»Ahmed und ich, wir haben ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis. Ich hab ihm doch diese zwei Anzüge genäht, weißt du noch? Der fährt total auf meine Sachen ab. Ich glaub, den hab ich. Wir treffen uns am Montag.«
»Das ist toll, Baby.« Aber es lag etwas Zögerliches in ihrer Stimme. In dem Wort »Baby«.
»Was ist?«, fragte ich.
»Nichts. Das ist toll.«
»Aber irgendwas ist doch.«
»Na ja, das ist eine ganz schöne Summe, auf die du dir da Hoffnungen machst. Und dieser Mann …«
»Ahmed.«
»Er ist dein Nachbar. Er ist irgendwie so komisch. Also, auf mich wirkt er nicht gerade vertrauenswürdig. Ich meine, der hat dich vorhin auf der Straße aufgelesen und hierhergefahren? Das ist doch alles total arbiträr.« Das war auch so ein Teil ihrer Weltanschauung. Ihrer Meinung nach passierte alles durch Zufall, oder eben mit großer Ironie. In dieser Hinsicht waren wir völlig verschieden, denn wie gesagt, mir war alles an diesem Abend sehr präzise vorgekommen. Wie vorbestimmt.
»Wir sind Freunde. Er vertraut mir.«
»Und was war mit dem Auto? Das hatte er geliehen. Er hat nicht mal ein eigenes Auto?«
»Ich hab dir doch gesagt, das war ein Zipcar. Eine Art Leihwagen, aber kein richtiger.«
»Also, ich kann mir nicht vorstellen,
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