Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Weiblichkeit! Ihr Arsch war wunderbar – ich träume immer noch von ihren Backen. Und was sie in ihrem dunklen Schatten bargen, war Gottes reinste Wahrheit! Es war Sein Werk, das sich mir offenbarte. Go tell it on the mountain.
In der letzten Zeit denke ich viel über Fehler nach. Anderes bleibt mir hier kaum übrig. Im Laufe unserer beiden gemeinsamen Jahre fragte ich mich manchmal, wie ich mich auf so ein Mädchen einlassen konnte. Ist es jetzt im Rückblick nicht offensichtlich? Ich tat es aus Liebe.
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WIEDERSEHEN IN BRONXVILLE
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Im November verbrachte ich dann eine Menge Zeit in den Doppelstockbetten des Sarah Lawrence College mit seinen Gemeinschaftsküchen, Wohnheimrezeptionisten, Besucherausweisen, den klammen Fluren, dem Haschischrauch, dem frisch gemähten Rasen, den hohen Eichen, den Aschenbahnen und Sportplätzen. Ich nahm die Metro-North nach Bronxville und sah zu, wie sich Michelle in einem efeuumrankten Backsteinidyll den Strapazen des College-Lebens aussetzte.
Wenn ich am Wochenende von der Grand Central Station aus zu ihr fuhr, sah ich viele bekannte Gesichter aus meinem Viertel – Musiker, schlecht gekleidete Hippies und verwöhnte Söhnchen wie mich. Ich erfuhr, dass Scharen von Ehemaligen der Sarah Lawrence nach ihrem Abschluss nach Bushwick gezogen waren, um ihr gammeliges amerikanisches Studentenleben weiterzuführen. Als ob zwischen den beiden Orten eine unterirdische Pipeline verliefe, fuhren sie an den Wochenenden zurück, besuchten ihre Freundin oder ihren Freund und krallten sich an ihrer Jugend fest. Als ich das herausfand, war ich sofort entschlossen, mich nicht für einen von ihnen halten zu lassen, obwohl eine von ihnen mein ganzes Glück und meine Erfüllung ins Wanken brachte.
Wie das, fragen Sie? Wie kann bei einem jungen Mann innerhalb weniger Wochen Liebe in Abneigung umschlagen? Wie gesagt, ich wollte ungebunden sein. Und was fand ich,kaum zwei Monate nach Beginn meines neuen Lebens? Eine Bindung. Doch das ist das Dilemma des jungen Menschen, nichts, worauf ich die kostbaren Seiten meines Bekenntnisses vergeuden würde, wo es doch so viel Schmutz zu bereinigen gibt. Zu diesem Thema nur noch so viel: Wenn man sich verliebt, schwingt immer auch ein gewisser Unmut mit. Das eine geht mit dem anderen einher. Wenn zwei sich verlieben, kommt erst einmal vieles zum Stillstand. Alles, was ich verdiente, gab ich für Fahrten nach Westchester und mittelmäßiges Essen für zwei aus, obwohl meine Anwesenheit eigentlich auf Partys und Events in der City erforderlich gewesen wäre. Ohne sie konnte mir mein Traum leicht aus den Händen gleiten. Der Traum vom Bryant Park. Von der New York Fashion Week. Immer wenn ich auf der 42 nd Street war, ging ich gern die paar Schritte zu dem rechteckigen Platz hinüber und sah mir an, wie das Licht durch die Londonplatanen auf die steinernen Balustraden und den gepflegten Rasen fiel. Nicht auszudenken, wie diese kleine grüne Enklave zweimal im Jahr zum Nabel meiner Welt wurde! Ich fühlte mich diesem Ort verbunden. Das hektische Treiben rund um den Park – die Büros und die Drehtüren – drang gar nicht richtig zu mir durch. Im Park war ich ganz bei mir. Hier wollte ich für einen Paukenschlag sorgen. Wenn sich die Menschen während der Fashion Week im Zelt an einen erinnerten, war man praktisch unsterblich.
Einfach nur indem sie mit mir zusammen war, hielt Michelle mich von alldem fern. Ihretwegen hockte ich in Bushwick herum. Die dreitausend von Ahmed waren fast aufgebraucht. Der dicke Mantel, den ich mir für den Winter kaufen musste, und das Fahrgeld für das wöchentliche Pendeln verdrängten Williamsburg endgültig von meinem Horizont. All die hippen Künstlertypen – meine Leute – bastelten in der ehemaligen Industriesiedlung ohne mich an der großen Karriere und plünderten den verlorenen Boden von SoHo und Greenwich Village, um ihren Traum von bohemehafter Urbanität zu nähren. Jedes Mal, wenn ich mit der L an den Stationen Graham, Lorimer und Bedford vorbeifuhr, rief das Viertel nach mir. Hinter jedem Garagentor arbeitete ein Bildhauer, Maler oder Designer, fand eine Bandprobe, Aufnahmesession oder ein Mode-Shooting statt, alle und alles vereint in dem Ziel, einander auf dem jeweiligen Gebiet zu übertrumpfen.
Und wo kam bei alldem mein Label vor? Ohne ernstzunehmende Geldgeber gab es kein Label. Nur einen Mann, der in einem Zimmer saß und Kleider nähte. Wie traurig. Ich hatte die richtigen Freunde, die mir helfen wollten
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