Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
Vom Netzwerk:
Mann da erzählte. Er war ein Gefangener! Er sah genauso aus wie jeder andere Gefangene hier. Scheitelkappe, schwarzer Bart, dunkle Haut und dunkle Augen. Während wir Schlange standen, hatte ich mehr oder weniger damit gerechnet, von ihm bespuckt zu werden, und jetzt stand er da drüben und redete mir.
    »Ich glaube es nicht«, sagte ich. »Was machst du hier?«
    Das Wasser wurde abgestellt. Unsere Dusche war beendet. Ich hatte immer noch Seifenschaum unter den Armen und Shampoo im Haar. Riad antwortete nicht auf meine Frage, und mir wurde klar, dass man darauf nicht innerhalb von zwei Minuten antworten konnte. Schnell trocknete ich mich ab, während mein Wächter schon mit einer sauberen Uniform wartete, die er mir gleich durch den Schlitz reichen würde.
    »Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein«, sagte Riad über die Trennwand hinweg. »Rachel. Das Mädchen in Virginia hieß Rachel.«
    Natürlich konnte ich mir unter dieser Rachel aus Virginia niemanden vorstellen. Als ich Riad fragte, wie sie ausgesehen habe, hieß es ein letztes Mal, wir sollten still sein, und jeder für sich wurden wir schnell zurück in unsere Zellen geführt.
    Nachdem mein Duschpartner seine Angebetete erwähnt hatte, musste ich wieder einmal an Michelle zurückdenken, an die Fahrten zu ihr nach Bronxville usw. Es war mir peinlich, vor Spyro so offenherzig meine gescheiterte Beziehung auszubreiten, aber als ich Michelle und das Sarah Lawrence College nur erwähnte, wirkte mein Grieche sehr interessiert. »Erzählen Sie mehr«, sagte sein Blick. Eigentlich hätte es mich nicht zu überraschen brauchen. Er kennt sich in den fünf Stadtbezirken und den Außenbezirken bestens aus, korrigiert mich bei bestimmten Orten und so weiter. Ich bin mir fast sicher, er wohnt in Manhattan. Vielleicht treffe ich ihn mal zufällig auf der Straße, wenn das alles hier vorbei ist. In New York braucht man nur eine Avenue entlangzuschlendern, und schon läuft einem jemand aus der Vergangenheit in die Arme. Selbst wenn derjenige am anderen Ende der Welt lebt, taucht er plötzlich auf, als wäre er nie irgendwo anders gewesen.
    »Sie haben eine Menge Zeit mit diesem Mädchen verbracht«, sagte Spyro.
    »Zwei Jahre waren wir zusammen.«
    »Dann war es also was Ernstes.«
    »Es war ziemlich kompliziert. Auf ihre Art konnte Michelle sehr großzügig sein. Sie hat mich geliebt. Aber ich habe immer etwas zurückgehalten. Es wurde schnell zur Gewohnheit. Wir waren so lange zusammen, weil es bequem war. Klar gab es auch andere Frauen. Aber das darf diesen Raum nicht verlassen.«
    »Erzählen Sie weiter«, sagte er. »Wir sind unter uns, nur Sie und ich. Wir unterhalten uns bloß.«
    »Sie und ich und der hinterm Spiegel.«
    »Wer? Hinter diesem Spiegel hier? Da ist niemand.« Er klopfte an den Einwegspiegel. »Sehen Sie?«
    »Ich vertrau auf Ihr Wort. Denken Sie daran, ich bin nicht blöd«, sagte ich.
    »Hab ich das je gesagt? Sie haben studiert. Gut, hinter der Scheibe ist eine Kamera, die unsere Gespräche aufzeichnet, aber nur zu Dokumentationszwecken. Es dient in erster Linie Ihrer Sicherheit.«
    »Und wer bedient die Kamera?«
    »Hören Sie, wir können hier bis heute Abend sitzen und uns darüber streiten, ob da jemand ist oder nicht, aber Tatsache ist, Sie werden es nie erfahren. Sie werden nie dahinterschauen können. Was macht es also für einen Unterschied? Sie sind hier drin. Vergessen Sie das nicht.«
    »Wie könnte ich?« Ich zog die Hände unter dem Tisch hervor, um ihn an die Ketten um meine Handgelenke zu erinnern.
    »Na ja, so wie Sie neulich meinten.«
    »Was meinte ich?«, fragte ich.
    »Für jemanden, der nicht dumm ist, können Sie ziemlich bereitwillig vergessen.«
    »Selektive Erinnerung, haben Sie doch mal gesagt.«
    »Hab ich das?«
    »Vielleicht war’s von irgendeinem Russen.«
    »Aber noch mal zurück zu Ihrem Wochenende mit diesem Mädchen. Michelle. Qureshi hat Sie zu ihr nach Bronxville gefahren. Das war am Freitag. Was ist am Samstag passiert?«
    »Da haben Michelle und ich uns ein Theaterstück angesehen.«
    »Und?«
    Warum wollte Spyro das unbedingt hören? Er fragte, wen ich dort getroffen hätte. Mit wem ich geredet hätte. Sogar, wie das Stück hieß. Es hieß Goodbye, Agamemnon . Geschrieben, produziert, inszeniert und unter Mitwirkung von Guatemala, einer guten Freundin von Michelle. Es war ein avantgardistisches Stück mit splitternackten Darstellern und Dialogen ohne Sprache. Die Schauspieler krochen stöhnend und jammernd auf

Weitere Kostenlose Bücher