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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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dem Raum, und zwar der Käfig. Er war der einzige Teil der Inneneinrichtung, der noch aus Fabriktagen erhalten war, und als ehemaliger Lagerraum mit Schloss und Riegel war er in der dunkelsten Ecke des Lofts versteckt. Ich spielte mit dem Gedanken, ihn zu einem Schlafzimmer umzufunktionieren. So viel kleiner als mein Apartment in Bushwick war er gar nicht, und mein Schlaf- und mein Arbeitsbereich wären klar voneinander getrennt. Ich erzählte Ahmed sofort von meiner Idee. Er öffnete die Gittertür, duckte sich unter die eins achtzig hohe Decke und stellte fest, dass darin tatsächlich eine Doppelmatratze Platz hätte, wenn auch kaum noch etwas anderes. »Das wird deine persönliche Schläferzelle«, sagte er mit einem Grinsen. Eine Zeit lang nannten wir es weiterhin meine Schläferzelle. (Dank Herizon Wireless 43 würde diese Art von Humor schließlich im Vorfeld der Überwältigenden Heimsuchung gegen mich verwendet werden.) Irgendwann fand ich den Verschlag dann doch zu klein und nutzte ihn als Lagerraum.
    »Und, was meinst du, Boy? Kannst du damit was anfangen?«
    Ich war hin und weg von dem Loft – eine Decke aus der Jahrhundertwende, getragen von Säulen aus Industriebeton, ein frisch aufgearbeiteter Dielenboden, der unter meinen Nikes knackte und knarrte, die Bogenfenster, durch die das Tageslicht fiel und fast jeden Winkel ausleuchtete, ein Bad mit Schachbrettfliesen und eine moderne Küche. Gar kein Vergleich zu meiner Wohnung auf der Evergreen Avenue!
    »Es ist perfekt«, sagte ich.

...
    PHILIP TANG 2.0
    ...
    Drei, zwei, eins – Feuer! Bumm! Ich war eine Bombe und kurz davor, volles Rohr in der Branche einzuschlagen. Meine Kollektion gedieh und bildete Triebe in neue und unerwartete Richtungen. Ihre Fühler streckten sich nach allem aus, was mich umgab. Und ich klaute wie ein Rabe. Farben schaute ich mir bei Catherine Malandrino ab. Stoffe bei Comme des Garçons. Schieres Draufgängertum bei Galliano und McQueen. Andrew Saks sagte einmal über Coco Chanel, sie sei wie ein General, besessen von dem Wunsch zu siegen. 44 Man könnte nicht besser beschreiben, was mich zu diesem Zeitpunkt trieb. Die neuen Stücke würden Anleihen bei all meinen Helden machen, besäßen jedoch dazu die Chuzpe meines eigenen, voll ausgeprägten Stils. Und was machte diesen Stil aus? Diese Frage hatte ich mir mein ganzes Leben lang gestellt, doch erst jetzt kam ich zu einer Antwort. Mir schien, dass mein Platz in New York, insbesondere in Williamsburg, genau das war, was ihn nun zur endgültigen Reife wachsen ließ.
    Das Viertel erwies sich als überaus anregend, nicht nur für meine Gemütsverfassung, sondern auch für alles, wo ich meine Finger sonst noch so drin hatte (Steilvorlage für Zoten).
    Williamsburg! Schon allein der Name klang geschichtsschwanger und ließ mich an andere exotische Städte denken,die ebenfalls das ehrwürdige »-burg« im Namen trugen: Johannesburg, St. Petersburg. Er beschwor große Männer, die mit noch größeren Städten in Verbindung gebracht wurden, wie Johan Lindeberg 45 aus Stockholm. Williamsburg war nicht nur ein Ort, es war eine gesteigerte Gemütslage. Aber wie alles Gute – weiße Ferragamos, entkorkter Vino, die Milch aus Mamas Brust – konnte es nicht ewig bewahrt werden. Ich hatte mich noch nicht lange in der Zahnstocherfabrik niedergelassen, als mir auf unserer Hauptmeile die ersten Schlips-und-Kragen-Schnösel auffielen. Man sah immer mal wieder, wie solche Finanztypen – die, die am Wochenende das Hemd über der Hose trugen – in ihre klobigen Blackberrys sprachen und unser Viertel mit dem Spitznamen »Billyburg« beleidigten.
    Mit etwas Hilfe von Opa, sprich Ahmed, hatte ich meine neuen Räume bezogen (»Hilfe von Opa« war so eine von Ahmeds Lieblingswendungen und bezeichnete die Art und Weise, wie man hier in der Stadt Dinge regelte), und wie ein echter New Yorker ergriff ich schnell Besitz von meiner »Hood«.
    Für diese staubgrauen Finanztypen hatte ich nur Spott übrig.
    Als der Winter begann, hatte sich meine Verachtung für diese Hochstapler zur Empörung ausgewachsen. Der fallende Schnee, der von drinnen so frisch und sauber aussah, wurde zu schwarzen Matschpfützen, in die man hineintrat, wenn man nicht aufpasste. Und das Salz, das die Ladenbesitzer streuten, um die Wege zu enteisen, fraß sich selbst in die besten Lederstiefel. Gegen vier Uhr trat die Sonne schon ihren Rückzug an. Um fünf war es zappenduster. Um sechs wimmelte es überall auf der Bedford Avenue

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