Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Ahnung, was du magst. Deshalb hast du mich ja gefragt. Meide Konventionalität um jeden Preis. Oder willst du für den Rest deines Lebens Brautkleider entwerfen? Nein, oder?«
Er hatte recht. Mein Problem als Student war, dass ich mich zu sehr an das Erwartete hielt. Wenn ich eine Partie hatte, die ausgefüllt werden musste, band ich eine Schleife darum und fertig. Ich strampelte mich ab, um so schöpferisch zu sein wie Philip, blieb aber immer kurz vor der Innovation stehen. Tangs Kreationen hatten etwas zu sagen. Er stand im Dialog mit der Modegeschichte. Ich dagegen schnappte bloß hier und da etwas auf, borgte, kopierte und recycelte. Schlimmer noch, ich konnte meine guten Sachen nicht von meinen schlechten unterscheiden. Ist das nicht das größte Hindernis, das wir als Künstler überwinden müssen? Uns eingestehen, wenn etwas nichts taugt. Erst während der abschließenden Modenschau in jenem Jahr, dem gefürchteten Wettbewerb um ein Stipendium für das Central Saint Martins College of Art and Design in London, wurde mir klar, wie unreif ich noch war. Die Qualifikation für einen Platz an der berühmten Kunsthochschule, die John Galliano und Alexander McQueen hervorgebracht hatte, war kein Wettbewerb, sondern eine Philip-Tang-Show.
Die Models liefen vor einer Kommission aus erfahrenen Richtern über den Laufsteg: Gloria Sanchez, Rektorin des FIM, unser Textildesign-Dekan Romel Reyes, Cecily Cuaron von Pinoy Big Brother (erste Staffel) und Leslie T. Wasper vom Central Saint Martins, zuständig für internationale Zulassungen. Die Richter sahen zu, wie Philips Kollektion die anderen Wettbewerber inklusive mir an die Wand spielte, wobei ich meine eigene Mittelmäßigkeit von einem Platz in der ersten Reihe aus betrachten durfte.
Nachdem der Sieger bekannt gegeben worden war, überreichte Cecily C. von Big Brother Philip einen Blumenstrauß. Nicht lange, und er war auf und davon.
Er hinterließ eine große Lücke in unserem Studiengang. Drapieren, Farbe und Form, Miederwaren, Paris versus Mailand – keiner unserer Kurse war mehr wie früher ohne Tang, der uns führte, Tang, der mir sagte, was ich falsch machte. Sein verwaister Arbeitsplatz in unserem Atelier erinnerte uns ständig an seine Abwesenheit. Seine Schneiderpuppe stand noch so, wie er sie zurückgelassen hatte, nackt und allein vor meinem Platz. Einmal, als ich bis in die Nacht hinein schuftete, drehte ich sie mit dem Rücken zu mir, als Erinnerung daran, was ich verfolgte. Als ich mich versehentlich mit einem Künstlermesser in den Finger schnitt, rastete ich aus, kletterte über meinen Arbeitstisch und stach es der verdammten Puppe in den Nacken. Beim ersten Mal hielt es nicht, deshalb drückte ich die Puppe auf Philips Tisch und stach darauf ein, bis das Messer stecken blieb. Was war bloß aus mir geworden?
Schande über mich.
Wir blieben in Kontakt und hörten ab und zu voneinander. Zur selben Zeit, als er Assistent von Alexander McQueen wurde, nahm ich heimlich einen Brautmoden-Job an, was ich ihm aber nie erzählte. Ich dachte oft liebevoll an meinen Freund in England, und trotzdem wallte in mir immer wieder Eifersucht auf. Ach, wie oft wünschte ich ihn doch auf den Grund der Themse – auch wenn er selbst in diesen Fantasien wieder an die Oberfläche kam, den Bauch nach oben. Ich konnte ihn einfach nicht umbringen. Ich bin kein Mörder. Wie gesagt, ich konnte nie jemandem etwas zuleide tun. Nicht einmal in meinen Träumen.
Als sich unsere Wege in New York wieder kreuzten, hatte jeder, der einen Namen hatte, früher oder später eine Stationin seinem Studio durchlaufen. Philip war es, der mich bei meiner ersten Fashion Week mit Vivienne Cho bekannt machte. Und wie Sie gleich sehen werden, brachte mich Philip auch mit meinem zukünftigen Presseagenten in Kontakt, Ben Laden (nicht verwandt). Selbst meine karrierefördernde Bekanntschaft mit Chloë, der Schauspielerin, Sängerin und Songwriterin, verdanke ich teilweise Philip.
Allerdings war der bissige Charme, der mit seinem Gespür für das Extravagante einherging, nur in kleinen Dosen zu ertragen. Mir machte er zwar schon lange nichts mehr aus, aber ich vermutete, dass Michelle nie mit Philip warm werden würde.
Ich sollte Recht behalten. »Ich weiß nicht, wie du den bloß erträgst«, sagte sie einmal über Philip. »Der ist so was von gekünstelt. Ich verstehe nicht, wie du es schaffst, ihm nicht auf der Stelle eine in die Fresse zu hauen, nachdem er sein endloses Palaver über
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