Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
während dieser albernen Übung? Der weiße Stoff bekam rote Spritzer aus Khushs Vene, aufgeschlitzt mit einem stumpfen Plastikrasierer.
Die Rasierklinge beherrschte meine Gedanken.
Die Psychiaterin erbarmte sich und verschrieb mir Antidepressiva, die ich nun täglich bekommen würde. Ein schwacher Trost. Die Pillen wirken aber erst nach Wochen, so viel Zeit habe ich nicht. Bis zu meiner Verhandlung – dem Brief des Präsidenten nach am 17. November – sind es nur noch zehn Tage.
Als sie fort war, bekam ich mein Mittagessen und wurde anschließend zur nächsten Sitzung mit Special Agent Spyro geführt. Er hatte Mitschriften meiner Telefonate in den Tagen nach Ahmeds Festnahme dabei, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von den Verrätern bei Herizon Wireless. Privatsphäre? Vergiss es! Heutzutage gibt es keine privaten Telefonate mehr. Er wusste, wann ich telefoniert hatte und was gesagt worden war. Ich frage Sie: Wer sähe nicht schlecht aus, wenn er belauscht wird? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auf der Pennsylvania Avenue zu Aufständen käme, wenn man die Rollen vertauschen würde und das Volk den Gesprächen zwischen dem Präsidenten und seinem Vizekommandanten zuhören könnte. Zu einem Staatsstreich sogar. Ich will damit nur sagen: Bei einem Gespräch hinter verschlossenen Türen geht man davon aus, dass niemand außer den Gesprächspartnern zuhört. Wir Menschen überlegen nun mal nicht immer erst großartig, bevor wir etwas sagen. Nachdem Michelle mir im Bett einmal an den Schamhaaren gezogen hatte, habe ich sie mit »Du Nutte!« beschimpft. Natürlich fand keine Geldübergabe statt, doch später, als sie ihr verdammtes Stück schrieb, bezahlte ich im übertragenen Sinne dafür.
Außerdem haben die Penner bei Herizon meinen Telefongesprächen in ihren Mitschriften jegliche Intonation und allen Humor genommen. Übrig bleibt eine Sprache ohne Stimme. Nichts als Worte auf Papier. Sogar ich hatte in derSitzung Probleme, das Ganze zu verstehen. Ich durfte die Mitschriften allerdings behalten und konnte sie als Erinnerungshilfe nehmen, um die Telefonate mitsamt Ton zu rekonstruieren.
Am 27. Mai 2006 wurde in Gesprächen zwischen mir und verschiedenen anderen Leuten Folgendes gesagt:
Um 9.00 Uhr bekam ich einen Anruf von Ben Laden.
»Seite zwei in der Post von heute. Hast du sie da?«
Hatte ich. Seine Stimme klang so nachdrücklich, dass ich sofort zur Zeitung griff, ohne weiter nachzufragen. Ich schlug George Lipnickis Artikel auf Seite zwei auf. »›Der ehemalige Textilhändler Ahmed Qureshi wurde Freitag im Sheraton Hotel am Newark International Airport festgenommen‹«, las ich am Telefon vor. »›Qureshi wird vorgeworfen, Ammoniumnitrat-Dünger transportiert und verkauft zu haben, aus dem Sprengstoff hergestellt werden kann … Der kanadische Händler …‹ Ach … er war also wirklich Kanadier … Hätte ich nicht gedacht. ›Der kanadische Händler wurde im Zuge einer verdeckten Ermittlung des FBI auf frischer Tat ertappt. Kurz vor seiner Festnahme soll Qureshi einem FBI-Informanten gegenüber Osama bin Laden gerühmt haben.‹«
»Er hat Osama bin Laden gerühmt, kannst du dir das vorstellen?«, fragte Ben.
Ich las weiter: »›Ist ein großer Mann, Bin Laden. Hat einiges geleistet.‹« Das waren nicht meine Worte. Ich las, wie gesagt, aus der Zeitung vor. Aus dem Zusammenhang gerissen, kann so was ziemlich schlecht ankommen, vor allem, wenn es vor Gericht gegen einen verwendet wird.
»Mein Namensvetter ist wieder in der Zeitung«, sagte Ben. »Und ich dachte schon, es wäre endlich Ruhe. Von wegen Allahu akbar .«
»Das hört sich nicht gut an, Ben.«
»Als ich mit George gesprochen habe, hatte er keine Ahnung von Ahmeds Verbindung zu deinem Label. Und ich habe den Mund gehalten. Ich glaube nicht, dass irgendeine Spur zu dir führt. George hat sämtliche Informationen vom FBI. Wenn ihm so eine Story in den Schoß fällt, stellt er selbst keine großen Nachforschungen mehr an. Es sieht so aus, als hätten sie den Richtigen, und alle sind zufrieden. Jetzt dreht sich alles um die Gerechtigkeit – was passiert mit Ahmed? So läuft das. Ich muss wirklich sagen – da sind wir wohl noch mal davongekommen.«
»Das ist doch verrückt. Ich versteh gar nichts mehr.«
»Er ist eben ein Psycho. Die Typen kann man nicht verstehen. Versuch’s erst gar nicht. Die sind einfach krank im Kopf.«
»Klar, aber ich glaube einfach nicht, dass er irgendwem etwas tun wollte. Ich kenne ihn doch,
Weitere Kostenlose Bücher