Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Ben. Dazu ist er gar nicht fähig.«
»Tu mir einen Gefallen. Mach einfach weiter wie bisher. Bis sie dich zum Verhör vorladen, kannst du nichts anderes tun. Und selbst das steht nicht fest. Vielleicht hörst du auch nie wieder was von der Sache.«
Nach dem Gespräch mit Ben machte ich Frühstück. Seltsam eigentlich, wenn man meine Reaktion auf Bens Neuigkeiten auf der Toilette des El Baño bedenkt. Aber können Sie mir einen Menschen nennen, der auf Überraschungen immer gleich reagiert? Wieder muss ich eine Anekdote über den Präsidenten zu Hilfe nehmen. Zwei von drei der schockierendsten Ereignisse seiner bisherigen Amtszeit erwirkten dieselbe Reaktion: Lähmung und Leugnung. Sehr beständig. Doch was tat er, als er erfuhr, dass seine rechte Hand 71 einen anderen älteren Herrn für eine Wachtel gehalten und niedergeschossen hatte? Er verkündete seelenruhig: »Ich bin zufrieden.« Wie er sich im Griff hatte! Doch ich bin mir sicher,dass der Präsident bei diesen Worten tief im Inneren schockiert und verstört war. 72 Innerlich war ich zugegebenermaßen ein Nervenbündel, aber äußerlich kochte ich mir zwei Fünf-Minuten-Eier. Ich setzte mich zum Essen an den Arbeitstisch und sah dabei ein paar Skizzen durch. Ich brach die Schale oben auf, salzte die Eier und durchstieß das weiche Eiweiß mit dem Teelöffel. Als ich satt war – ich schaffte nur selten zwei Eier –, legte ich mir ein weißes Blatt zurecht und fing an, ein Seidenkleid zu skizzieren, Crêpe de Chine mit Paillettendetails.
Gegen 10.05 Uhr – ich saß immer noch an meiner Skizze – wurde ich von einem zweiten Anruf unterbrochen.
»Kennst du mich noch, Schneiderlein? Hier ist Meerrettich.« Verdammt. Wieder Hajji, der indische Gangster aus dem Hotel Gansevoort. Ich hatte ihm gesagt, er solle mich Montag anrufen. Doch jetzt, wo Ahmed im Gefängnis war, glaubte ich, ich könne ihn abschütteln.
»Alles klar«, erwiderte ich. »Hören Sie, gut, dass Sie anrufen. Es hat sich gerade herausgestellt, dass ich Ihre Hilfe doch nicht brauche. Stellen Sie sich vor – ich habe einen Hersteller hier in Brooklyn gefunden! Hab ich ein Glück! Naja, auf jeden Fall ist es so am besten, also …«
»Heute schon Zeitung gelesen?«
»Zeitung?«
»Ach komm. Zeitung von heute. Extrablatt, Extrablatt! Musst du wissen, haben sie unsere Freund geschnappt.«
»Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen. Okay, ich muss dann mal wieder.«
»Hast Schwein gehabt. Kein Wort über dich. Kein Piep.«
»Bitte?«
»Google das hier, Schneiderlein: Du bist dran Punkt com! Verstehst du? Oder willst du auch in Zeitung?«
»Ich verstehe nicht.« Ich wollte Zeit schinden. Natürlich wusste ich, was los war. Der Drecksack wollte mich erpressen.
»Kann alles bleiben ganz easy«, erklärte er.
Ich schwieg.
»Terror schlecht für Geschäft, nicht wahr?«
»Kann ich Sie zurückrufen?«
»Tu, was du tun musst, und denk dir Zahl zwischen eins und zweihunderttausend. Und dann ich rufe dich zurück.«
»Zweihunderttausend! Sind Sie wahnsinnig?«
»Habe ich sogar Attest«, sagte er und legte auf. Zweihunderttausend Dollar. Das war der Preis für Hajjis Schweigen. Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, rief ich Ben an.
»Tolle Nachrichten. Ich werde von einem indischen Gangster erpresst.«
»Von wem? Don Curryone ? Schmeiß ein paar Magentabletten und alles wird gut. Ha!«
»Soll das lustig sein? Ist eher ziemlich rassistisch.«
»Hey, niemand hat den Knüppel der Intoleranz so zu spüren bekommen wie die Iren. Wenn man dann noch meinen Nachnamen dazunimmt, hat man das Porträt eines Menschen, der sich ziemlich gut mit rassistischen Vorurteilen auskennt.«
»Ich meine es ernst. Eben hat mich einer von Ahmeds Geschäftspartnern angerufen. Hajji heißt er. Die kleine Ratte, die mich da vor ein paar Tagen verfolgt hat. Sagt, er will zweihunderttausend Dollar, oder er geht an die Presse und bringt mich mit Ahmed in Verbindung. Was soll ich denn jetzt machen, verdammt?«
»Wir gehen zur Polizei.«
»Und was sagen wir denen?«
»Das ist ein klarer Fall von Erpressung.«
»Und dann? Wenn wir zur Polizei gehen, muss ich denen dies erzählen und das und überhaupt alles.«
»Dieser Hajji hat dich ausdrücklich bedroht, ja?«
»Naja, eigentlich eher so hintenrum.«
»Gib mir mal seine Nummer. Ich weiß genau, was man Leuten sagen muss, die zu gierig werden.«
»Er ist ein ziemlich fieser Typ. Schlecht gefärbte Haare, lange Fingernägel, das volle Programm. Wenn er
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