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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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angetan, lagen sie in grellbunten Pfühlen modernen Freiluftkomforts und strahlten, trotz offensichtlicher Bequemlichkeit, gedämpftes Ferienglück aus.
    »Hätte ich jemand mitbringen sollen?«
    »O nein, es ist lustig genug«, antwortete Sylvia.
    »Wir dachten nur, es müsse wohl einen Grund haben, daß du später kommst«, fügte Daniela hinzu.
    Lukas überhörte diese Bemerkung.
    »Schön ist es hier«, konstatierte er mit patriarchalischem Rundblick.
    Daniela erhob sich.
    .»Komm, ich zeig’ dir dein Zimmer.«
    Er nahm seine Tasche. Durch einen riesigen Wohnraum mit offenem Kamin führte sie ihn die Treppe hinauf in ein freundliches kleines Zimmer mit bäuerlichem Bett. »Wir haben dich hier untergebracht«, sagte sie. »Einzelzimmer? Und wo schlafen die anderen?«
    »Die beiden Wolfgänge oben in den Mädchenzimmern mit eigenem Bad, hoch sozial. Peter und Ines im Zimmer der Gnädigen, Pauli in dem des Hausherrn natürlich und wir nebenan im großen Gästezimmer. Du hast das Bad mit uns, gleich gegenüber.«
    »Wer ist >wir    »Sylvia und ich.«
    Erstaunt sah er sie an.
    »Sylvia?«
    »Ja. Es ist aus mit Pauli.«
    »So was muß einem schließlich gesagt werden.«
    »Soll ein Mensch auf den Gedanken kommen, daß gerade du das nicht weißt! Sei jedenfalls nett zu ihr, sie kann’s brauchen.«
    Lukas nickte. Daniela ließ ihn allein. Er dachte nicht weiter nach, packte seine Sachen in den kleinen Bauernschrank, zog sich aus, warf den Bademantel über und verließ das Zimmer. Die Ruhe im Hause kam ihm sehr gelegen, und er beschloß, sein Feriendorado erst einmal gründlich zu inspizieren.
    Der obere Flur war ganz mit grünem Velours ausgelegt, die Wände mit einer etwas unruhig geblümten Tapete bespannt. Nach der Gartenseite führte eine breite Glastüre auf den Balkon, der den Ausgang zur Terrasse überdachte. In der Ecke an der Treppe stand eines jener proportionslosen Blumen-Zweckgestelle, deren sinnvolle Disharmonie darin liegt, Pflanzen auf kleinen Plattformen in verschiedenen Höhen so aufzunehmen, daß keine der andern im Licht steht. Ein aufwendiges Messinggeländer begleitete die Treppe ins Erdgeschoß. Darüber hingen in regelmäßigen Abständen auf der geblümten Tapete Stiche, die weitere Produkte der Weltflora in Gesamtansicht, im Querschnitt sowie mit separat aufgeführter Wurzelknolle erschöpfend darstellten. Die Treppe mündete in die Steinfliesen eines Vorplatzes mit Kleiderablage und vielen Türen. Vom Wohnraum wurde das Entree durch einen Rundbogen hinter gerafften roten Samtvorhängen getrennt. Lukas genoß mit bloßen Füßen den Übergang von den kalten Platten auf erneuten Velours. Jetzt beige.
    Der breite Raum dehnte sich nach beiden Seiten. Links ein großer Eßtisch, falsches Chippendale mit Stühlen dergleichen Machart. Dahinter an der Stirnwand ein herrlicher Frankfurter Schrank. Lukas trat näher. Seine aufglimmende Freude an dem schönen Stück wurde jedoch sofort wieder getrübt, als er obendrauf ein mühsam um Patina ringendes Modell der Kolumbus-Caravelle entdeckte, rechts und links je einen zweiarmigen, schmiedeeisernen Wandleuchter — bemalt und viel zu hoch — und in der Ecke zum Fenster endlich den unvermeidlichen Gummibaum. Mit wachsendem Interesse für die Person des Besitzers sowie seiner — in diesem Falle war wohl »Gattin« das richtige Wort — wandte er sich der anderen Hälfte des Raumes zu. Vorbei am Entreebogen, vorbei an den Puffs und Kamelsitzen aus gestanztem Leder vor dem Kamin steuerte er über zahlreiche Perserbrücken einen unförmigen neudeutschen Renaissanceschreibtisch an — Brustwehr gesicherter Existenz. Weithin glänzte die schwere Krokodilledergarnitur.
    fetzt sah Lukas den Hausherrn vor seinem geistigen Auge: untersetzt, schütteres, pomadisiertes Haar, große Blumenkohlohren, wuchtige Hornbrille, Brillantring am kleinen Finger der einen, mächtigen Siegelring mit Initialen an der anderen Hand, Elastikuhrarmband in Gold. Ohne sich an den trutzigen Löwenklauen des Monstrums zu stoßen, schritt er um das Schnitzwerk herum und setzte sich in das kühle Schweinsleder. Direkter Blick zum Wellenschrank. Links vor ihm ein buntes Sofa mit passenden Polstersesseln — die »Klubgamitur« — und rechts auf der Schreibtischplatte, krokodilgerahmt, das Bild des Erfolgreichen. Angetan mit sämtlichen Attributen, die Lukas ihm zugedacht hatte, sowie Zigarettenspitze aus Bernstein lächelte er sesselwärts, satt und glücklich, ein Deutscher zu

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