Bel Ami
Heimarbeit fast verdoppelt, obwohl das gar keine Einstellungsvoraussetzung gewesen war. Als er sich um diesen Job beworben hatte, war er ziemlich überrascht gewesen, dass ich mich für ihn und gegen seine hünenhaften Mitbewerber entschieden hatte. Mittlerweile konnte er meine Entscheidung nachvollziehen. Es gab viele Männer, die durch die Anwesenheit von schönen Frauen erst einmal verunsichert waren. Gerade am Anfang eines Abends, wenn alle noch nüchtern und mehr Frauen als Männer in der Bar waren, suchten sie häufig das Gespräch mit einem Mann, nicht selten mit dem Türsteher. Und Nico war der Beste, wenn es darum ging, lockere Gespräche zu führen, die Gäste ein bisschen zu entspannen und Vertrauen zu schaffen. Seine anfängliche Irritation schien sich nun zu verflüchtigen, als ihn der Mann, der sich selbst als Alex vorstellte, anlächelte und fragte: »Wie heißt du denn?«
Nico grinste und schlug in die angebotene Hand ein. »Nico!«
»Wie lange machst du das denn schon, Nico?«
»Sechs Jahre.«
»Und vorher?«
Der Mann, der Alex hieß, wirkte ganz und gar nicht mehr schüchtern.
»So dies und das. Eine Zeitlang war ich Tauchlehrer an der Costa del Sol!« Nico war durchaus bereit, ein paar seiner Anekdoten zum Besten zu geben, kam aber nicht dazu.
»Wirst du auch ab und an in Naturalien bezahlt?« Alex zwinkerte ihn mit Unschuldsmiene an.
Nico runzelte kurz die Stirn, wurde offensichtlich noch immer nicht schlau aus diesem Gast.
»Arbeit ist Arbeit! Unsereins begnügt sich mit den weniger Schönen!«, antwortete er diplomatisch und, wie er hoffte, an die Eitelkeit des Gastes appellierend.
»Aber Champagner trinkst du doch wenigstens?« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Alex dem Türsteher seinen Arm um die Schulter und schob ihn zur Bar.
»Champagner! Den besten!«, rief er Karin zu.
Spätestens jetzt hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit der Mädchen. Nur Karin blieb unbeeindruckt. Professionell öffnete sie eine Flasche, die mehr kostete als eine einfache Verkäuferin im Monat verdiente, und füllte zwei Gläser.
»Für die Schönen und für dich auch!«
Allen wurde langsam klar, dass sich hier ein ungewöhnlicher Abend anbahnte. Nachdem Marie weitere acht Gläser auf den Tresen gestellt und sie gefüllt hatte, hob sie die leere Flasche und ihre linke Augenbraue.
»Na, mach einfach noch eine auf!«
Jetzt hätte auch die Freundin der Verkäuferin einen Monat Ferien machen können.
»Wie viel kostet denn der ganze Laden?«
Diese Frage brachte Nico nun endgültig aus dem Gleichgewicht. Alex registrierte genüsslich das Schweigen, das auf seine Frage folgte.
»Wie meinst du denn das?«
»Nun, man fragt den Chef oder die Chefin. Man zahlt in bar oder mit Karte. Dann schließt man ab und lässt es sich gut gehen.«
Alex grinste Nico an, hob sein Glas und prostete den sieben Schönen zu.
»Auf den Überraschungsgast des Abends!«
Für die Mädchen war der Deal schon perfekt. Auf Nicos Wink verschwand Karin hinter der Bar und klopfte wenig später an meine Bürotür.
Kurz bevor sie das tat, war ich in die Betrachtung eines kleinen Flecks vertieft, den ich auf meiner weißen Versace-Hose entdeckt hatte. Ich grübelte über seine Herkunft nach: Er war nicht groß, störte aber dennoch ungemein mein Wohlbefinden. Zum hundertsten Mal nahm ich mir vor, unbedingt Wechselkleidung in die Bar mitzunehmen. Der Anblick der schönen Karin änderte an meiner Laune zunächst nur wenig. Wenn sie mich persönlich aufsuchte, musste es allerdings einen besonderen Grund geben. Ich hoffte inständig, dass es keiner war, der mich zwang, dermaßen besudelt nach unten zu gehen.
»Detti, da ist ein Gast, der die Bar für sich allein buchen möchte.« Sie strich sich eine blonde Strähne hinter ihr Ohr und fügte, jede Silbe betonend, hinzu: »Den ganzen Abend!«
Seit ich das Bel Ami führte, waren nur wenige Anliegen dieser Art vorgetragen worden. Und wenn waren es Prominente gewesen, und die hatten sich angekündigt und eine Vorbestellung aufgegeben. Der ungewöhnliche Vorfall ließ mich für kurze Zeit meinen unschicklichen Aufzug vergessen. Ich verließ mein Büro und fragte Karin über den Gast aus. Sie kannte ihn nicht, hatte nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkt, beschrieb ihn als selbstbewusst und witzig. Neugierig betrat ich den Barraum und sah den Fremden, umringt von meinen Mädchen. Sie lachten und redeten, verhielten sich, als würden sie ihn schon seit Jahren kennen. Drei leere
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