Bel Ami
Besonderen. Ich häufte ein winziges Häufchen Koks auf meinem Handrücken an und sog es tief ein – das Glück.
III. Mittelmeer
Verkokst
Mittlerweile betrieb ich das Bel Ami schon mehrere Jahre, und etwas, das man vielleicht als Routine oder Alltag bezeichnen könnte, hatte sich eingeschlichen. Ich hatte Angestellte, Mädchen und Gäste kommen und gehen sehen. Einige hatten geheiratet, waren schwanger oder schlicht zu alt geworden. Meine Stammkundschaft war gewachsen, der Bekanntheitsgrad des Bel Ami hatte die Grenzen meiner Heimatstadt weit überschritten, ich verfügte über ein ansehnliches Repertoire kleiner Anekdoten, mit denen ich stundenlang eine Abendrunde unterhalten konnte, meine Ehrfurcht vor berühmten Künstlern, Weltklassesportlern, Ehren- und Würdenträgern war selbstbewusster Professionalität gewichen, ich wunderte mich nur noch selten, und überraschen konnte mich fast nichts mehr. Vielleicht hätte meine alte Abenteuerlust mich schon längst nach neuen Herausforderungen suchen lassen, wenn es nicht doch immer wieder Abende wie den folgenden gegeben hätte.
Im Bel Ami öffnete ein Mann mittleren Alters die Tür und sah sich suchend um.
»Kein Stammgast«, raunte Natalie ihrer Freundin zu.
»Der war überhaupt noch nie hier!«, präzisierte die Tresenfrau, die scheinbar immer Gläser polierte und doch alles hörte und sah.
Der Mann war der erste Gast des Abends. Er trug einen Anzug der Mittelklasse, und auf seine Schuhe hatte sich der Staub der Straße gelegt. Sekundenschnell hatten die Mädchen den Gast gemustert und sich wieder ihren Drinks zugewandt. Er war ein eher normaler Typ. Seine Haare waren dunkelblond und kurz geschnitten, an den Schläfen schon weiß. Sein Bauchansatz ließ auf Büroarbeit schließen, seine Körperhaltung auf immerhin gelegentliche Besuche im Fitnessstudio. Ein Blick in seine grauen Augen erinnerte an trockene Erde. Ungewöhnlich an ihm war nur, dass er allein war. Üblicherweise kamen die Gäste zu zweit oder in noch größeren Gruppen. Manche Mädchen wussten auch von Pärchen zu berichten, bei denen es oft nur um die Befriedigung der weiblichen Neugier ging. Nur selten betrat ein Mann allein die Bar. Dieser hier hatte es getan und fühlte sich augenscheinlich unwohl. Also blieb er bei Nico vorn an der Tür stehen. Auch nicht ungewöhnlich. Er suchte in seinen Taschen erst nach Zigaretten und dann nach einem Feuerzeug. Sofort hatte Nico sein Zippo entflammt und hielt es dem Unbekannten hin. Ein tiefer Zug und der erste musternde Blick auf die Schönheiten an der Bar. Leise Musik und ein Duft zwischen Opium und Weihrauch. Die langen Beine der Mädchen waren in jeder erdenklichen Position um die Barhocker geschlungen. Rotes, blondes und schwarzes Haar lag lang und glatt oder in wilden Locken auf den nackten Schultern. Vereinzelt türmte es sich, kunstvoll hochgesteckt, über einem schmalen Hals. Vereinzelte Worte oder leises Gelächter übertönten ab und an die Musik.
»Wie läuft das hier?« Der Mann mit den grauen Augen schaute Nico neugierig an und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus rotem Kristall aus.
»Nun, man setzt sich hin oder bleibt stehen, trinkt ein Glas Bier oder Champagner. Man lässt es sich gut gehen. Die meisten finden das zu zweit angenehmer. Also fragen sie ein Mädchen, ob es sich dazusetzt.«
»Wie viel kostet ein Mädchen?«
Nico bildete sich eigentlich eine Menge auf seine Menschenkenntnis ein und war nun überrascht, dass der Mann diese Frage tatsächlich so direkt gestellt hatte.
»Eine Stunde mit einem Mädchen kostet 250 Mark. Kleinere Dienste bieten wir hier nicht an. Außerdem ist es üblich, Champagner oder etwas anderes für das Mädchen zu bestellen.«
Das unbewegte Gesicht des Mannes ließ nicht erkennen, ob die genannte Summe ihn abschreckte oder nicht. Nico wartete auf die unvermeidliche Frage nach dem Champagnerpreis. Überraschenderweise blieb diese jedoch aus. Der Fremde genoss den Anblick der Frauen und schien den Türsteher vergessen zu haben.
Nico fuhr verunsichert fort: »Der Champagner kostet je nach Marke zwischen 200 und 1250 Mark. In der unteren Etage gibt es eine Sauna und ein Schwimmbad mit großem Wasserbett und Ruheraum. Die kosten pro Stunde 300 Mark, sind allerdings nicht separat zu mieten. Aber ein bisschen gucken kann ja auch ganz amüsant sein. «
Zum ersten Mal lächelte der Fremde, und Nico entspannte sich. Seit er Türsteher war, hatte er Bizeps und Brustumfang in fleißiger
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