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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Uhlmann
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hier heute nicht allein.«
    Wenn Katja nicht gerade erst aufgestanden wäre, hätte sie bestimmt zurückgeschnauzt. So sah sie mich nur säuerlich an und verschwand türknallend im Bad.
    Ich nahm meinen Karton und setzte mich damit in den Wintergarten. Staubflocken wirbelten in der ersten Frühlingssonne, als ich den Deckel öffnete. Unter ein paar uralten Briefen meiner Mutter fand ich ein Gruppenfoto, das während meiner Zeit im Berufsinternat für Seefahrt aufgenommen worden war. Sechs Jungen im Alter zwischen 14 und 15 Jahren: Stube sechs. Die Jungen trugen weiße Hemden und kurze, weite Hosen, die Haare nach hinten gekämmt. Einer überragte sie alle, war blond und hatte die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt. Das war ich – vor einer halben Ewigkeit. Dann fand ich noch eine Urkunde, die mir die Teilnahme am Müggelseeschwimmen im Jahre 1955 bestätigte und ein kleines, schwarzes Notizbuch, in dem etliche Seiten fehlten. Ich überflog die hingekritzelten Notizen, unter denen ich neben längst verjährten Terminen auch eine Telefonnummer fand, die mit neu und dicken Kreisen markiert war. Jürgen! Mein alter Schulfreund. Es war fast auf den Tag genau 15 Jahre her, dass wir uns in Prag das letzte Mal getroffen hatten, kurz bevor ich nach Berlin gegangen war, um mein Glück mit der Kneese zu versuchen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich auf seinen Brief nicht geantwortet hatte. Inzwischen kamen keine weiteren mehr, und ich hatte ihn vollkommen vergessen gehabt. Ich glaube nicht an Schicksal, nur an Taten. Also griff ich zum Telefon und wählte die Nummer, die vor den drei Ausrufezeichen stand. Seine Frau nahm ab, blieb distanziert und reichte mich an Jürgen weiter. Er freute sich um einiges mehr, meine Stimme zu hören, und wir verabredeten uns kurzerhand für das nächste Wochenende in Prag.
    Prag – nicht nur eines meiner beliebtesten Reviere, um schöne, junge Mädchen für mein Geschäft zu gewinnen, sondern auch die einzige Verbindung zu meiner Heimat und den alten Freunden hinter der Mauer, die sie nicht heraus und mich nicht hinein ließ – wegen Mädchenhandels. Man hatte mich bespitzelt und sich daran gestört, dass ich einen Nachtclub betrieb. Nun, mochte die DDR etwas dagegen haben, Jürgen schien es nicht zu beunruhigen.
    Eine Woche später umarmte er mich innig und stellte mir seine Tochter Simone vor, die ihn begleitete, um sich Prag anzusehen  – und vielleicht auch den reichen, westberliner Schulfreund ihres Vaters. Ich ließ die Koffer zu meinem Jaguar bringen und fuhr mit ihnen ins Hotel Intercontinental . Dort hatte ich drei der besten Zimmer gebucht und für den Abend einen Tisch im zehnten Stock, von dem aus man einen atemberaubenden Blick über die Prager Altstadt hatte. Ja, ich hatte mich nicht lumpen lassen. Die Bewunderung von Vater und Tochter tat mir wohl. Das, was mir längst zur Gewohnheit geworden war, bekam durch die verblüfften Blicke der beiden wieder neuen Glanz. Ihre vorsichtige Art, sich in das weiche Leder meines Autos sinken zu lassen, ihre bewundernden Blicke auf meinen wirklich schönen Anzug von Armani, ihre begeisterten Ausrufe über die Einrichtung der Zimmer oder den standardmäßigen Begrüßungsdrink machten mir deutlich, was ich alles geschafft hatte und in welchem Luxus ich schwelgte.
    Als Jürgen und seine Tochter aus dem Fahrstuhl stiegen und mir zum Abendessen ins Restaurant folgten, betrachtete ich Simone genauer. Sie war 19, groß, blond und vollbusig. Ich erkannte mein Beuteschema. Sie trug ein schwarzes, knielanges Kleid mit weißem Kragen und einen Pferdeschwanz. Andere Frisur, anderes Kleid und ein paar Kilo weniger, dann wäre sie wirklich sehr hübsch gewesen. Jürgen sah älter aus, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Jahre im Osten waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Dabei war er früher ein wahnsinnig cooler Typ gewesen. Als Teenager hatten wir ähnlich gute Chancen bei den Mädchen gehabt. Black and White , so nannte man uns, weil meine Haare blond waren und seine schwarz. Aber jetzt und hier merkte man, dass seine besten Jahre vorbei waren. Ich glaube, das ganze Ambiente hat ihn auch etwas eingeschüchtert – das kannte er aus dem Osten natürlich so nicht. Ich betrachtete mich in dem großen Spiegel neben der Tür zum Restaurant. Ich kam mir jünger vor als Jürgen, und interessanter. Zufrieden, mit erhobenem Kopf und federndem Schritt betrat ich das Restaurant, geleitete meine Gäste zu unserem Tisch und ließ

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