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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Uhlmann
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über die Familien meiner alten Schulfreunde und ihren eigenen Kinderwunsch – irgendwann einmal. Ich sah ihr hinterher, sah die Tür sich schließen und fühlte mich eigenartig. Einerseits betrogen um den Sex, andererseits um ein zärtliches Gefühl reicher.
    Fünf Stunden später riss mich das Schrillen meines Zimmertelefons aus dem Schlaf. Katja! Warum ich mich noch nicht gemeldet hätte, was ich so tat, ob ich sie noch liebte, an sie dachte, sie so vermisste wie sie mich … blabla. Ich nuschelte irgendetwas in den Hörer und legte auf. Aber schlafen konnte ich nicht mehr. Ich ging unter die Dusche und entschied, an diesem Tag einen relativ unauffälligen, sandfarbenen Anzug mit Holzknöpfen zu tragen. Hemd mit Stehkragen oder doch lieber ein Rollkragenpullover? Beides wirkte leger und sympathisch. Ich entschied mich für das Hemd, weil es sich gut mit einem dunkelroten Seidentuch kombinieren ließ. Ich trug ein dezentes Aftershave auf und holte Jürgen und Simone zum Frühstück ab. Dieser Tag sollte nur den beiden gehören.
    Wir schlenderten über die Karlsbrücke und den Wenzelsplatz, ich zeigte ihnen den Hradschin mit dem Veits-Dom und das goldenen Gässchen mit den winzigen, bunten Häusern aus dem 16. Jahrhundert. Abends bestellte ich für uns ein böhmisches 7-Gänge-Menü im Le Degustation und lud sie im Anschluss ins Alhambra ein, ein Varieté-Theater, in dem ich schon öfter gewesen war. Es war ein wunderschöner Tag, an dessen Ende ich zwar wieder keinen Kuss, dafür aber Simones Telefonnummer bekam.
    Sonntagabend betrat ich wieder das Bel Ami . Hallo und wie schön, Daddy hier, Daddy da. Das Übliche. Ich lächelte routiniert, umarmte und küsste, prostete zu, schenkte ein und trank selbst das ein oder andere Glas. Ich war nicht bei der Sache. Zwischen Simone und mir stand nun wieder eine Mauer, mit Stacheldraht besetzt und mit geladenen Waffen und blutrünstigen Hunden verteidigt. Mir ging dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf, ich empfand den sogenannten antifaschistischen Schutzwall zum ersten Mal als so menschenverachtend, wie er war. Dann war also ich so ein Faschist, vor denen Menschen wie Jürgen und Simone geschützt werden mussten? Lächerlich.
    »Daddy, ich hab dich so vermisst. Sag, dass du mich liebst. Los, sag es!«
    Katjas lange Arme hatten sich wie eine Riesenpython um meinen Hals geschlungen und drohten, mich zu ersticken.
    »Natürlich, das weißt du doch!«, röchelte ich, was Katja fälschlicherweise für Erregung hielt. Sofort presste sie sich noch fester an mich und fuhr mir mit der Hand zwischen die Beine.
    »Ich dich auch, du Saukerl. Du hast doch in Prag nicht rumgevögelt, oder?«
    Das konnte ich mit ruhigem Gewissen verneinen.
    »Mein Armer.«
    Katja neigte sich zu meinem Ohr, fuhr mit der Zunge kurz hinein und hauchte:
    »Dann bist du bestimmt ganz außer Übung.«
    Ihr Haar kitzelte mich heftig an der Nase, und die Luft war mir noch immer zu knapp. Sie nervte mich.
    »Du ganz bestimmt nicht!«, stieß ich hervor.
    Katja schaute mich verwundert an.
    »Alles, was ich tue, tu ich doch nur für dich, für uns! Was ist denn los mit dir? Trink erst mal was!«
    Ich wusste selbst nicht, warum ich das gesagt hatte, warum ich die ganze Zeit an Prag denken musste, an Simone, die genüsslich zwei Eisbecher hintereinander verputzt hatte, ohne über ihr Gewicht nachzudenken. Obwohl sie das vielleicht hätte tun sollen. Katja hielt mir ein Glas mit eiskaltem Champagner entgegen und lächelte mich versöhnlich an. Sie trug ein schimmerndes, dunkelgrünes Kleid, das sich eng an ihren Körper schmiegte, und erinnerte mich mit den offenen Haaren an eine Seejungfrau. Na ja, vielleicht nur an See. Ich trank.
    »Wollen wir hochgehen? Ich bin schon feucht!«
    Ich trank aus und suchte fieberhaft nach einer Ausrede. Nixe hin oder her – ich hatte keine Lust auf sie.
    »Katja, meine Schöne, ich bin gerade erst aus dem Auto gestiegen, hab erst ein Glas getrunken«, log ich. »Außerdem bin ich total erledigt. Übrigens, der Typ dort drüben sieht schon die ganze Zeit rüber. Lass dich doch erst mal bei ihm aus, ja?«
    »Arschloch!«
    Sie funkelte mich wütend an, drehte sich auf ihren hohen Absätzen gekonnt um 90 Grad und stöckelte hüftschwingend zu ihrem potenziellen Kunden. Sie war schon gut!
    Karin schenkte mir nach.
    »Irgendwas ist doch in Prag passiert, Daddy!«
    Mein Gott, war ich denn ein offenes Buch, in das jeder ungefragt seine Nase stecken konnte?
    »Vielleicht hab ich mich

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