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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
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es war nur wegen meines Onkels; ich konnte nicht verstehen, dass meine Person sie interessieren könnte.« (Matteo ist bis heute überzeugt, er interessiere niemanden. Manchmal denke ich, das ist eine Ausrede, damit er sich selbst um niemanden kümmern muss.)
    »Und Olivo?«
    Matteo warf mir einen Blick zu, als ob er sagen wollte: auch du interessierst dich mehr für Olivo als für mich?!
    »Olivo? Olivo war ein vermögender, eleganter junger Mann (Matteo würde nicht gestatten, ihn selbst für einen eleganten Mann zu halten), der sich auf seine Karriere vorbereitete.«
    »Eine politische?«
    »Nein, eine Universitätskarriere, damals kam gerade sein Buch heraus, damit gedachte er, Aufmerksamkeit zu gewinnen, eine Stellung.«
    »Gerade an seinem ersten Buch sieht man doch, dass er schon damals etwas anderes als eine Gelehrtenlaufbahn im Sinn hatte – das konnte seinem Ehrgeiz nicht genügen. Denn davon spricht jede Seite seines Buches.«
    Matteo sagt, er könne sich nur daran erinnern, dass Ernesto auf die Laufbahn eines Privatgelehrten bedacht war. Er benutzte bei dieser Gelegenheit das Wort und die bei uns ungewöhnliche Bezeichnung: Privatgelehrter .
    Wäre nicht dieser Skandal mit seiner Schwester gewesen, die ihren Mann, dem sie die Kinder und ihre Schulden aufbürdete, verließ, hätte Olivo, laut Matteo, an seinem Vorsatz festgehalten, sich der Wissenschaft zu widmen. Olivo, obwohl durch nichts gezwungen, zahlte seinem Schwager alle Schulden. Der alte Olivo lachte darüber und hat derTochter jegliche Hilfe verweigert. Denn er wollte, dass sie Donatos Sohn heiratet, doch sie hat sich diesem Gecken an den Hals geworfen. Von dem konnte der alte Olivo schon voraussagen, dass er sich so verhalten würde, was dann auch tatsächlich eingetreten ist. Er gebe nicht einen Heller, um die Verwandtschaft dieses durchtriebenen Schwiegersohns zu bezahlen, hat der alte Olivo erklärt. Der junge hat alles aus dem Erbe seiner Mutter bezahlt.
    »War das nicht edel? Zeigt das nicht Olivos Charakter im besten Licht?«
    Matteo hat mich mit einem Blick angeschaut, als ob er mir vorhalten würde, dass wieder auf Matteos Kosten jemandem etwas zugeschrieben wurde. Ich bin überzeugt, dass Matteo sich ebenso verhalten hätte. Auch wenn ich von keiner solchen Tat in seinem Leben weiß, scheint mir, tue ich ihm Unrecht, würde ich das nicht voraussetzen.
    Matteo antwortete nicht und fuhr fort: »Und das zwang Olivo, seine luxuriöse Junggesellenwohnung aufzugeben, über die so viel gesprochen wurde.«
    Ich schaute Matteo nicht an, weil ich seinen Blick nicht sehen wollte, der besagte, auch über ihn würden die jungen Damen und Herren reden, wenn er sich eine Junggesellenwohnung wie Olivo gestattet hätte. Das verstehe ich nicht: Matteo ist ein sehr schöner Mann, hat eine hübsche Frau, und ich weiß selbst mit Bestimmtheit, dass er viele Frauen liebte, ich kenne sogar eine oder zwei, die ihm sehr entgegenkamen. Und dabei gibt er sich immer den Anschein, als ob er vom Schicksal benachteiligt wäre.
    Olivo musste seine luxuriöse Wohnung aufgeben und freilich auch die Gedanken an eine Laufbahn als Privatgelehrter. Matteo räumt ein, dass Professor Carli, der demjungen Olivo gegenüber größte Feindseligkeit an den Tag legte, viel Einfluss darauf hatte. Er hat es abgelehnt, seine zur Habilitation erweiterte Dissertation anzunehmen. Professor Carli, ein Gegner der Falange, nahm Olivos Arbeit nicht an; nicht weil sie vom Standpunkt der Wissenschaft vielleicht schlecht gewesen wäre, sondern weil sie vom Standpunkt der Moral anstößig war. Wer Professor Carlis Schriften kennt, wird begreifen, dass er keine Arbeit annehmen konnte, die, alle Mittel heiligend, eine Verherrlichung der Macht war. (Obwohl er selbst später nicht zögerte, viele dieser Mittel anzuwenden, um Olivo aus dem Weg zu räumen.) Damals allerdings ahnte niemand, weder Professor Carli noch Olivo, dass sie sich einmal als echte Widersacher gegenüberstehen würden. Damals gab es zwischen ihnen nur Abneigung und ideelle Kontroversen.
    »Wie beurteilen Sie das, Matteo?«
    Matteo schaute mich ernsthaft an, als könne er nicht glauben, seine Meinung würde jemanden interessieren:
    »Olivo überschätzte sich.« (So töricht war Matteo nie.) Olivo überschätzte sich: seine Fähigkeiten, seine Persönlichkeit. Einmal erzählte er Matteo sogar, dass ihm Gesinnungsgenossen Carlis nach dem Leben trachteten. Wir leben doch nicht im Mittelalter! Selbst wenn wir diese Romantik gelten

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