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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
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ist es am Strand öde, nur die Möwen winken mit den Flügeln: ich denke an die Schwingen auf Giulias Hut. An ihrem Gürtel, der zugleich den durchscheinenden Schal hält, duftet ein großes Bouquet: viola maritima.
    In diesen hohen Felsenklippen nisteten Vögel, die Ernesto im Sinn hatte, als er über das halkyonische Glück schrieb –
    das Glück der Einsamen
    das Glück der Entdecker neuer Länder
    das Glück der Entdecker neuer Inseln
    das Glück der Entdecker neuer Prophezeiungen
    das Glück der Entdecker neuer Religionen.
    Giulia hatte als ein durch und durch künstlerisches Wesen vergessen (wenigstens zeitweilig), dass Ernesto sie in seiner Aufzählung unerwähnt ließ.
    Ich weiß, sie hat immer dann die Kränkung nicht vergessen, wenn Ernesto sich über ihren Gedanken, er könne sie auch ohne Mitgift zur Frau nehmen, lustig mache. In der Zeit übrigens, als sie mit ihm die Ferien am Meer verbrachte, dachte sie wahrscheinlich schon nicht mehr daran. Ernesto ahnte, oder konnte ahnen, dass er nicht ihr erster Liebhaber war. Ich glaube nicht, das hätte ihn gekränkt, eher nahm es ihm ein Stück von der Verantwortung ab, die er vielleicht Giulia gegenüber fühlen könnte.
    Ich betrachtete die abgeschnittene Fotografie Ernestos, legte die aus billiger schwarzer Masse hergestellte Scheibe einer Ansichtskarte auf das Grammophon (solche Ansichtskarten verkauften sie damals in diesem Seebad), aus dem stotternden Kreisen der Scheibe höre ich verzerrte Worte, sie stocken, überspringen eine Rille und wiederholen sich erneut mit gespenstischer, gestörter Folgerichtigkeit:
    das Glüüü kk Entde ne u das Glüü k üüü ü
    Was will es mit diesem ›ü‹ sagen, mit diesem ›k‹ mit diesem …
    Ich sehe tausend, hunderttausend, Millionen in meine Sinne übertragene Bildpunkte vor mir, entdecke auf ihrer neutralen Fläche plötzlich Kreuzer. Kreuzer, die ich vom Strand des Seebades aus tatsächlich bemerkt hatte, können hier nicht anlegen. Ihr Bild konnte man nur in der Ferne erfassen, mit Hilfe von hundert, tausend, MillionenPunkten, aus denen sich auch Giulias und Ernestos Bild zusammensetzt, fotografiert am steinigen Strand eines kleinen Seebades.
    In diesem Moment muss ich in die Abfolge der Bilder eingreifen. So ist jede Erzählung, so ist auch die einfache Erzählung Frau Lavinias, die sagt, Ernesto und Giulia sind oder waren in diesem kleinen Badeort. Vermutlich sind sie schon abgereist.
    Die Zeitungsnachrichten waren ein solcher Schock, dass die meisten Kurgäste abfuhren.
    Frau Lavinia harrt vielleicht aus, weil sie die Wohnung bis zum Monatsende bezahlt hat. Auch aus meinem Hotel sind die meisten Gäste abgefahren. Am Morgen traf ich meine braungebrannte Schönheit schon nicht mehr. Sie war so makellos gebräunt, dass es schien, der Seidenkimono rutsche von ihrem nackten Körper. Bis heute denke ich manchmal daran, was wohl passiert wäre, wenn sie mein Briefchen, das ich ihr durch das Zimmermädchen geschickt hatte, erhalten hätte.
    Karla sehe ich fast nie, nicht einmal jetzt. Frau Lavinia erklärt mir, sie sei den ganzen Tag auf dem Bahnhof und verabschiede sich von Bekannten. Während meines gesamten Aufenthaltes war Karla eigentlich nur einmal bei uns: zur Besichtigung des Leuchtturms. Frau Lavinia blieb freilich unten, bei ihrer Korpulenz könne sie diese vielen hundert Stufen einfach nicht ersteigen. Sie habe von Bekannten gehört, denen am anderen Tag die Füße den Dienst versagt hätten. Sie blieb unten und ich bin mit Karla (im weißen Kleid) bis ganz nach oben gestiegen, zu den bei Tage blinden Mondnächten, den Eulen und Fledermäusen, zum Spiegelauge der riesigen Reflektoren. Karla warschon einmal, ohne die Mutter, mit ihren Freunden hier. Nur weil die meisten von ihnen abgefahren sind, ist Karla mit auf den Spaziergang gekommen, auch wenn sie heute Abend noch einige an den Zug begleiten wird.
    Momentan hat Karla für den Gedanken, die Lichter des Leuchtturms könnten einen fürchterlichen Sturm anstrahlen, eine Seeschlacht, Schiffbrüche, Untergänge, Grauen, keine Zeit. Karla gibt zu, das sei alles möglich: aber dem werde keiner entgehen, am besten, sie werde das mit ihren Freunden abends begießen. Auf Karla, zählt man sie dazu, wird man sich dabei verlassen können.
    Ich höre ihre Stimme und das Lachen, an dem die Tochter Frau Lavinias zu erkennen ist, das Kind des Clowns mit dem komisch gepuderten Gesicht, mit den Augenbrauenstrichen von angerußtem Kork.
    Nach dem Spaziergang zum

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