Bélas Sünden
Tischen umherwieselte, betrachtete ich nicht als Konkurrenz. Eine verheiratete Frau mit Eigenheim und zwei Kindern. Mit einem, wie Anita betonte, wunderbaren Ehemann, der morgens die Kinder versorgte, damit sie länger schlafen konnte, wo es nachts doch so spät wurde. Als Béla dann an einem Donnerstag im Juli kurz nach Mittag zum Großmarkt fahren musste, weil er mittwochs bei den Einkäufen die Gulaschsuppe vergessen hatte, als er um fünf noch nicht zurück war, war ich wirklich ahnungslos. Um fünf öffnete ich, ein wenig sauer, weil ich schreiben wollte. Um sechs wurde ich nervös, um sieben dachte ich an einen Unfall. Kurz nach sieben erschien dann der Angetraute unserer Kellnerin, der wunderbare Herr Ludwig. Ich kannte ihn flüchtig, aber so aufgelöst hatte ich ihn noch nie gesehen. Er hatte kurz zuvor ein tränenreiches Briefchen der lieben Anita auf seinem Nachttisch gefunden. Als er nachmittags aus dem Amt gekommen war, hatte er sich noch in keiner Weise über die Stille im Haus gewundert, sondern sie genossen. Sie war auch hinlänglich erklärt.
Beim Frühstück, Anita war ausnahmsweise einmal mit aufgestanden und hatte mitgeteilt, dass sie am Nachmittag die Kinder zu ihrer Mutter bringen und ihrem Gynäkologen einen Besuch abstatten wolle. Anita trug sich nämlich mit dem Verdacht einer Schwangerschaft. Und nun stellte sich die Frage, wer sie in diesen Zustand versetzt hatte. Ihr Mann oder meiner. Die Frage hätte ich Herrn Ludwig noch am selben Abend beantworten können. Da fand ich auch ein Briefchen, knapp gehalten und sauber formuliert. Béla teilte mir darin mit, dass er mir meine einsame Entscheidung nicht verzeihen könne. Dass Anita ein warmherziger Mensch sei und eine mütterliche Frau. Dass sie schwanger war, im zweiten Monat. Dass sie beide sich nach reiflichem Überlegen entschlossen hatten und so weiter. Das Geschäftskonto hatte er großzügigerweise nicht angerührt, nur das Sparbuch mitgenommen. Unseren Grundstein für das neue Lokal brauchte er nun zur Gründung einer Familie, das stand auch in dem Brief. Die erste Hälfte der Nacht stand ich hinter dem Tresen und sah kaum, wer auf der anderen Seite stand. Ich fühlte mich wie erschlagen, völlig leer im Innern. In der zweiten Hälfte lag ich wach, horchte in mich hinein und hatte das Gefühl, mein Herz setze aus. Am nächsten Morgen rief ich Heinz zu Hilfe. An wen hätte ich mich sonst wenden sollen? Sein Lächeln werde ich nie vergessen, dieses zuversichtliche und wissende Lächeln.
»Jetzt mach dir keine Sorgen, Lisa. Inzwischen müsstest du doch wissen, dass er immer wieder kommt.«
»Diesmal nicht. Er ist mit Anita weg. Sie ist schwanger von ihm. Er wollte doch unbedingt ein Kind. Und ich wollte nicht.«
Heinz ließ einen langen Seufzer hören, als ob er an meinem Verstand zweifle.
»Anita ist verheiratet, hat schon zwei Kinder, einen anständigen Mann und ein neues Haus. Mal sehen, was schwerer wiegt.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass der Ludwig sie zurücknimmt! Weißt du, was der mir hier für ein Theater gemacht hat?«
»Trotzdem«, sagte Heinz und fügte hinzu:
»Lisa, manchmal denke ich, du hast überhaupt keine Ahnung, wie es in einem Mann aussieht. Ich meine jetzt nicht nur in Béla, ich meine alle, den Ludwig eingeschlossen. Natürlich wird er sie wieder aufnehmen, was soll er denn sonst tun, mit zwei kleinen Kindern? Meinst du, er findet so schnell eine neue Frau? Seine Mutter ist zu alt, die Schwiegermutter ist auch nicht mehr die Jüngste. Er muss arbeiten. Ihm bleibt nichts anderes übrig. Und du glaubst nicht, wie viele es gibt, denen nichts anderes übrig bleibt.«
Lieber, guter, geduldiger Heinz. Ihn vor meinem Bett liegen zu sehen, war schlimmer als alles, was ich jemals für schlimm gehalten hatte. Ich begriff nicht, was ich gesehen hatte. Es war widersinnig und absurd. Ich wäre gern noch einmal hinaufgegangen, um mich zu vergewissern. Aber ich wusste, dass ich es niemals schaffte, einen zweiten Blick in sein zerschossenes Gesicht zu werfen. Die Polizisten dachten wohl, ich könne den Tatsachen nicht ins Auge schauen. Das Gefühl hatte ich zuerst auch. Bevor wir hinaufgegangen waren, war es schlimm gewesen, furchtbar, entsetzlich, grauenhaft. Aber ich hatte genau gewusst, dass sie ein Tuch wegziehen und ich sagen musste:
»Das ist mein Mann.«
Er war es nicht! Ich konnte nicht aufhören, nach Béla zu fragen.
»Wo ist mein Mann? Ich will sofort mit meinem Mann reden.«
»Der Arzt kommt
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