Belgarath der Zauberer
ich möchte, daß er sie sehen kann.«
»Was soll uns das nutzen?«
Im Grunde war ich mir dessen nicht sicher, aber ich hatte eine Vermutung. »Ich kann das jetzt nicht so rasch erklären. Habe ich mich schon einmal geirrt?«
»Nun ja – ich glaube nicht.«
»Dann vertrau mir, wenn ich dir sage, daß ich weiß, was ich tue.« Ich betete inbrünstig, daß ich wirklich wußte, was ich tat.
Es dauerte nicht lange, bis das erste Rudel Hunde um die Biegung im Fluß gehetzt kam. »Also gut, Riva«, sagte ich. »Die Zeit ist gekommen. Halte den Orb hoch. Gib ihm keine Anweisung, halte ihn nur hoch. Drücke ihn nicht. Ich weiß, wie stark deine Hände sind. Wenn du dich aufregst und den Orb zerquetschst bekommen wir große Probleme.«
»Ich dachte, die hätten wir schon«, murmelte Cherek irgendwo hinter mir.
»Ich habe dich genau gehört!« zischte ich über die Schulter.
Riva seufzte, holte den Orb hervor und hielt ihn hoch über seinen Kopf. »Lebe wohl, Vater«, sagte er mit Trauer in der Stimme.
Die Hunde, die hinter uns herrasten, schlitterten auf dem Eis, bis sie endlich zum Stehen kamen, als sie den glühenden Orb in Rivas Hand sahen.
Dann hörte der Orb zu glühen auf. Er flackerte und wurde dunkel.
Riva stöhnte.
Plötzlich erwachte der Orb erneut und diesmal glühte er nicht blau. Das Licht, in dem er strahlte, war gleißend weiß, und es war mindestens dreimal greller als das Sonnenlicht.
Vor Schmerz aufheulend, flohen die Chandim. Sie stolperten und rannten gegeneinander; ihre Klauen gruben sich knirschend ins Eis des Flusses.
Ich weiß nicht, ob einer dieser Grolims je das Augenlicht wiedererlangte, aber ich weiß, daß sie vollkommen blind waren, als sie zurück flußaufwärts liefen.
»Nun«, sagte ich erstaunt, »seht ihr? Es hat tatsächlich funktioniert. Das war doch großartig.«
»Belgarath!« Chereks Stimme klang gepeinigt. »Wollt Ihr damit sagen, Ihr habt es vorher nicht gewußt?«
»Theoretisch schon«, erwiderte ich, »aber praktisch…«
»Was ist geschehen?« wollte Dras wissen.
Ich zuckte die Schultern. »Es ist Riva nicht erlaubt, den Orb zu benutzen. Deshalb gestattet ihm der Orb, ihn zu berühren. Er konnte nichts tun, aber der Orb konnte – und er hat es auch getan. Der Orb mag Torak nicht – oder die Angarakaner. Aber er mag Riva. Ich habe ihn absichtlich in Gefahr gebracht, und das hat den Orb gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es hat recht gut geklappt findet ihr nicht auch?«
Sie starrten mich voller Entsetzen an. »Erinnert mich daran, niemals mit Euch zu würfeln, Belgarath«, sagte Dras mit zitternder Stimme. »Ihr geht zu viele Wagnisse ein.«
Da Ctuchik und Torak sie antrieben, setzten nun noch mehr Hunde uns nach, begleitet von einer nicht unbeträchtlichen Zahl Grolims. Den Grolims folgten Berittene in Rüstung und unterschiedlicher Bewaffnung. Es waren die ersten Murgos, die ich zu sehen bekam. Ich mochte sie nicht, und meine Meinung über Murgos hat sich auch im Laufe der Zeit nicht geändert. Ihre Pferde waren etwas größer als die zottigen Ponys, die man auf der anderen Seite des Meeres des Ostens antraf; trotzdem waren die Murgos zu groß für ihre Reittiere.
Also gut, ich werde Murgos und Nadraker des öfteren erwähnen; deshalb werde ich euch nun ein bißchen über sie erzählen. Die drei angarakanischen Volksgruppen, die nach der Zerstörung Cthol Mishraks in den westlichen Kontinent wanderten, waren eigentlich keine Stämme. Sie waren allesamt Angarakaner, aber die nahezu zweitausend Jahre, die sie in der Stadt der Ewigen Nacht gelebt hatten, hatte sie verändert. Ihre Unterschiede beruhten nicht auf rassischen Merkmalen, es waren verschiedene Klassen innerhalb einer Gesellschaft. Das Wort ›Murgo‹ bedeutete auf altangarakanisch Krieger; das Wort ›Nadraker‹ bedeutete Bürger und das Wort ›Thull‹ Diener oder Bauer. Murgos haben die Statur von Kriegern, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, und sie sind athletisch. Nadraker sind weniger muskulös. Thulls sind muskulös und massig. Torak war damit beschäftigt, sich den Orb gefügig zu machen, und kümmerte sich nicht darum, was mit den Einwohnern Cthol Mishraks geschah, an denen zweitausend Jahre gezielter Zucht deutliche Spuren hinterlassen hatten. Er nahm an, sie unterschieden sich, weil es verschiedene Stämme wären. Aus diesem Grund war das gesellschaftliche Gefüge der Angarakaner, die er in den Westen schickte, auch so instabil. Die Murgos hielten die
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